Das Echo der Flüsterer
manchmal lebendig.«
»Oder ihr seid…« Die Augen des Hauptmannes quollen regelrecht aus den Höhlen hervor. »Bonkas!«, schrie er so laut, dass seine acht oder neun Untergebenen erschrocken zusammenzuckten.
»Auch das wäre möglich«, sagte Darina geheimnisvoll.
Der Malkit riss sein glänzendes Metallrohr aus dem Gürtel und hielt Darina eines der Enden entgegen. »Bleibt stehen.«
»Aber wir stehen doch schon eine ganze Weile.«
»Ruhig, ich muss nachdenken. Wenn ihr… Bonkas seid, dann… dann…«
»Wie wär’s, wenn du uns zu Kanthelm bringst, Soldat?«
»Ich bin Hauptmann Wintas. Ja, das werde ich tun. Nicht zu Kanthelm, aber zu meinem Vorgesetzten. Und der wird mit seinem Vorgesetzten sprechen, damit der danach…«
»Nein, Wintas«, widersprach Darina auf eine Achtung gebietende Art und Weise. Das Mädchen schien regelrecht über den bewaffneten Muskelberg hinauszuwachsen. »Ich bin Darina, die Wissende der Bonkas, und das hier ist Numin, Sohn des Oberältesten des Zwielandes. Ich hoffe, dies alles sagt dir etwas. Ich habe nicht die geringste Lust deine unzähligen Vorgesetzten kennen zu lernen. Und jetzt wirst du mich zu Kantheim bringen.«
Wintas schaute mit versteinertem Gesicht auf Darina hinab. Sie war über einen Kopf kleiner als er. Seine Augen wirkten starr, fast, als sehe er sich geradewegs einem Gorrmack gegenüber.
»Also gut«, meinte er dann. »Ihr seid zwar unsere Gefangenen, aber ich werde euch direkt zu Kanthelm bringen. Folgt mir zum Grauen Palast von Tikrar.«
»Tikrar?«, wiederholte Numin fragend.
Der Hauptmann funkelte ihn feindselig an. »Das ist der Name der Steinstadt.« Dann gab er seinen Soldaten einen Wink und stapfte voran.
Es erwies sich als glücklicher Umstand, dass Darina und Numin nun eine Eskorte hatten. Ohne diese wären sie nämlich kaum unbehelligt bis zu Kanthelms Palast gelangt. Die Bevölkerung von Tikrar reagierte mit einer Mischung aus Neugier und Feindseligkeit auf die Fremden. Sobald das Gerücht die Runde machte, die Neuankömmlinge seien Bonkas, hatten die Soldaten alle Hände voll zu tun, ihre Gefangenen heil auf den Palasthügel zu bringen. Lebensmittel aller Art – nicht immer frisch – flogen durch die Luft und gierige Hände versuchten Darinas und Numins Gewänder zu zerreißen. Plötzlich ertönte ein lautes Zischen.
Entsetzt starrte Numin auf einen am Boden liegenden Malkit. In seiner linken Hüfte klaffte ein schwarzes blutendes Loch. Einer der Soldaten hatte an seinem Metallrohr auf einen Knopf gedrückt und für die Dauer eines Wimpernschlags war ein roter Lichtblitz aus der Waffe geschossen und hatte den aufdringlichen Landsmann niedergestreckt. Numin konnte gerade noch erkennen, wie einige andere Malkits dem schwer verletzten Mann zu Hilfe eilten, dann wurde er weitergeschoben.
»Wenn sie so schon mit ihren eigenen Leuten umspringen, was werden sie dann erst mit uns anstellen?«, hauchte er Darina ins Ohr.
»Das ist der Grund, weshalb ich allein gehen wollte«, antwortete sie.
Die Menge hielt nun etwas mehr Abstand zu den verhassten Fremden. Man beschränkte sich auf Schmähungen. Flüche und Wortgeschosse, die einem das Mark in den Knochen gefrieren ließen, hagelten auf die Unbekannten herab. Endlich erreichte die Eskorte den Anstieg zum Palast.
Der ganze Hügel war von einer Mauer umgeben. Als die Soldaten das erste Tor des Palastbezirks passiert hatten, befanden sich Darina und Numin in Sicherheit. In einer sehr trügerischen, wie sich bald herausstellen sollte.
»Kanthelm scheint seinem geliebten Volk nicht einmal bis zur Nasenspitze zu trauen«, flüsterte Numin mit Blick auf die Befestigungsanlagen. Einer der Soldaten stieß ihm das Ende seines Metallrohrs in die Rippen, dass er vor Schmerzen aufkeuchte.
»Noch einmal, und du wirst die Macht einer Wissenden kennen lernen«, fauchte Darina den Bewaffneten an.
Der Soldat fuhr erschrocken zurück.
»Valk, lass sie in Ruhe«, blaffte Wintas seinen Untergebenen an und wies mit dem Kopf den Hügel hinauf.
Der Anstieg verlief über einen gewundenen Pfad. Oben angelangt mussten Darina und Numin ein zweites Tor durchschreiten. Dann standen sie im inneren Palastbezirk.
Kanthelms Anwesen zeichnete sich nicht gerade durch Bescheidenheit aus, allerdings auch nicht durch besondere Pracht. Die einzelnen Gebäude des Palastes hatten etwas von der kantigen, trutzigen Art von Keldins Burg. Nur hier war alles um Dimensionen größer. Wintas führte seine Gefangenen auf einen
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