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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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riesigen Quaderbau zu, der aus grauem, nur grob behauenem Granit bestand. Am Fuße des Gebäudes erklommen sie eine Treppe, die sich über dessen gesamte Breite erstreckte. Oben befanden sich mehrere riesige Türen aus Ebenholz. Die mittlere stand offen.
    Wintas lotste die bonkasischen Gesandten nun durch eine riesige Vorhalle und einen nicht minder großen Wandelgang. Numins Blick folgte verschüchtert den riesigen Säulen, die zu beiden Seiten einer himmelhoch wirkenden Decke entgegenstrebten. Endlich blieb der Hauptmann vor einer großen Flügeltür stehen.
    Den Eingang bewachten vier schwer bewaffnete Soldaten, die Darina und ihren Begleiter mit finsteren Blicken musterten. Wintas nahm sich einen der hünenhaften Wächter vor. Dessen Augen schienen daraufhin zu wachsen. Er blickte misstrauisch zu Darina hinüber und öffnete dann Wintas die Tür.
    »Wartet hier«, befahl der Hauptmann. »Jetzt werdet ihr gleich erfahren, ob Kanthelm euch sehen will.«
    Die Tür wurde hinter dem Hauptmann geschlossen. Die stämmigen Wachen verkürzten Darina und Numin die Wartezeit, indem sie sie nach Waffen durchsuchten. Als ein grobschlächtiger Wächter bei Darina allzu gründlich zu Werke gehen wollte, zischte sie ihn an: »Wage es nicht, Soldat! Oder soll dich der Fluch einer Wissenden treffen?«
    Auf dem kantigen Gesicht des Mannes zeigte sich Bestürzung. Sogleich zog er die Hände von Darinas Körper zurück. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Wintas kam wieder zum Vorschein.
    In den Augen des Hauptmanns lag ein gehetzter Ausdruck. »Kanthelm wünscht euch zu sprechen. Sofort!«, zischte er und deutete zur offenen Tür.
    Darinas und Numins Blicke begegneten sich. Die himmelblauen Augen des Mädchens spiegelten Entschlossenheit wider. Dann traten beide ein.
    Kanthelm war kein König, leistete sich aber den Prunk eines solchen. Er verfügte demzufolge auch nicht über einen Thronsaal, doch sein Amtszimmer hätte vom Zuschnitt her einem Monarchen alle Ehre gemacht. Groß genug, um darin die kalvarischen Reiterspiele auszutragen, dachte Numin.
    »Beim Kristall, was für eine Überraschung!« Die Stimme klang kalt und eher spöttisch als erstaunt. Sie kam von einem Stuhl her, der, wenn schon kein Thron, so doch ein ziemlich bombastisches Amtsmöbel war. Kanthelm saß auf einem Block aus schwarzem Obsidian, in den ein begnadeter Steinmetz prachtvolle Verzierungen eingraviert hatte. Für die Sicherheit des Malkit-Herrschers sorgten zwei Leibwächter. Unbeweglich standen sie zu beiden Seiten hinter dem Sitzblock; nur ihre wachsam umherschweifenden Augen verrieten, dass sie tatsächlich lebendig waren.
    Links vor Kanthelm befand sich nahebei ein merkwürdiges Gestell auf Rädern. Darina hielt den Atem an. Keldins Spiegel hing in der Stellage. Also hatte sie Recht gehabt. Kanthelm besaß den dritten der ovalen Spiegel, die der Schmied Keldin vor ungezählten Generationen geschaffen hatte. Doch jetzt war auch dieser Kristall nutzlos. Nur blaue Nebelschwaden drehten sich auf der polierten Facette.
    »Kommt doch näher«, rief Kanthelm und winkte in Darinas und Numins Richtung.
    Die beiden näherten sich dem Thron um vielleicht dreißig Schritte, dann blieben sie stehen. Kanthelm sah grauenhaft aus. Sechs violettrote Striemen zogen sich von der Glatze bis zum Kinn über sein ohnehin schon nicht sehr ansehnliches Gesicht. Eine schwarze Klappe verdeckte sein linkes Auge. Den rechten Arm hielt er seltsam steif an den Körper gepresst.
    »Ich muss mit dir reden, Kanthelm«, begann Darina ohne Umschweife.
    »Darina!«, schwärmte der Herrscher der Malkits, als erinnere er sich eines edlen Weins. »So wahr mir der Kristall helfe, du bist noch viel schöner, als ich jemals zu träumen wagte.«
    »Was das Aussehen betrifft, sollten wir lieber keine Komplimente austauschen«, versetzte Darina. »Es könnte eine sehr einseitige Konversation werden.«
    »Warum so feindselig?« Kanthelms Stimme troff vor Liebenswürdigkeit. »Wir sind beide Wissende, Darina. Es war klug von dir, hierher zu kommen, ich brenne schon darauf, deine Geschichte zu hören. Hast du den Gorrmack gezähmt, der noch in der Spiegelregion herumirrt, oder ist es dir irgendwie gelungen, durch den Kimbaroth zu schlüpfen…?«
    Ehe Kanthelm noch Luft holen konnte, um seine Wissbegier weiter kundzutun, rief Darina streng: »Genug, Kanthelm! Ich weiß genau, wie du über mich denkst und was du von den Bonkas hältst…«
    »Und von den Keldinianern«, unterbrach sie

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