Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Keldins Burg abgewiesen, dann würde sie, wie Jonas erzählt hatte, schon längst nicht mehr leben. So verhielt sich kein um seine Liebste werbender Bräutigam. Dies war eher das Gebaren eines Jägers, der listig seine tödlichen Fallen aufstellte, dem das Leben der Beute überhaupt nichts bedeutete, der ohne jeden Skrupel sein Ziel verfolgte.
    Darina dachte in diesem Augenblick nicht an sich selbst. Ihre Aufgabe war es, Azon zu bewahren und nicht das eigene Leben. Doch Kanthelms Drohung gegen Numin wühlte sie auf. Äußerlich jedoch völlig ruhig sagte sie: »Wenn es dir um diese Frage geht, dann kannst du uns gleich hier auf der Stelle töten.«
    Die Widerborstigkeit seiner Kontrahentin verwirrte den Herrscher der Malkits. »Du hast es erstaunlich eilig zu sterben, Darina. Willst du nicht wenigstens zuerst deinen Begleiter fragen, ob er nicht vielleicht an seinem Leben hängt?«
    »In dieser Frage sind Darina und ich uns völlig einig, Malkit«, sagte Numin mit unverhohlener Feindseligkeit.
    »Dacht ich’s mir«, versetzte Kanthelm amüsiert. Sein Lächeln gefror zu einer eisigen Fratze. »In meiner grenzenlosen Güte werde ich euch dennoch einen Tag Bedenkzeit geben. Meine Leibwache wird euch ins Gefangenenhaus eskortieren.«
    Kanthelm neigte sich andeutungsweise nach rechts und gab dem einen Leibwächter einen Wink. Sogleich kam Leben in den Lanzenträger. Er senkte die Spitze seines Spießes und deutete mit ihm auf den Ausgang des Saals. Darina und Numin gehorchten der Aufforderung, ohne sich von Kanthelm zu verabschieden. Als sie die Tür erreicht hatten, meldete sich hinter ihnen noch einmal Kanthelms schneidende Stimme.
    »Wie, Darina, sagtest du doch gleich, bist du hierher gekommen?«
    Die Wissende wandte sich aufreizend langsam um und zeigte dem Malkit ein abgeklärtes Lächeln. »Dazu habe ich gar nichts gesagt, Kanthelm.«
    »Schade, dann muss ich mich wohl verhört haben. Aber im Grunde spielt es ja auch keine Rolle, da ihr morgen ohnehin sterben werdet.«
     
     
    »Er hat gelogen«, flüsterte Numin.
    Sie befanden sich auf dem Weg ins Gefangenenhaus. Vor und hinter ihnen marschierten je zwei Soldaten der Palastwache.
    »Der Wahrheitsstein?«, wisperte Darina zurück.
    Numin nickte unmerklich.
    »Dann geht es ihm also darum, einen Weg ins Land der Bonkas zu finden!«
    Wieder nickte Numin.
    »Sprechen verboten!«, blaffte einer der hinteren Wachen Darina an. In Numins Fall hätte er wohl den Schaft seiner silbernen Lichtwaffe eingesetzt, um das Schweigen zu erzwingen. Doch es schien sich herumgesprochen zu haben, dass Darina ein Kristallkind war, der Soldat beließ es bei seinem harschen Befehl.
    Darina dachte über Numins Hinweis nach. Ja, das ergab einen Sinn: Kanthelm wollte ganz Azon beherrschen; dazu musste er seine Besatzungstruppen in das Land der Bonkas führen. Doch aus irgendeinem Grund konnte er den Gorrmack nicht dazu benutzen. Wenn er in den Besitz von Jonas’ Kristalldolch käme, könnte er auch den Kimbaroth durchqueren. Wie gut, dass Schamakh der Weber vor langer Zeit den Vorhang der ewigen Trennung gewoben hatte!, dachte Darina. Die friedliebenden Bonkas, die keinerlei Kriegswaffen besaßen, wären den kämpferischen Malkits vollkommen unterlegen. So jedoch wurde der ewige Wettstreit auf die Flüsterer beider Seiten übertragen – und damit auf die Menschenwelt. Jetzt, wo diese Arena von Azon abgeschnitten war, suchte der Herrscher der Malkits die direkte Konfrontation. Sein Ziel, das wusste Darina nun, war die vollständige Unterwerfung der Welt unter dem blauen Kristall.
    Die Eskorte verließ den riesigen grauen Palastquader und hielt direkt auf ein benachbartes Gebäude zu. Wenn man davon absah, dass auf diesem Hügel ohnehin die klobigen Formen das Bild beherrschten, dann wirkte das Haus nicht gerade wie ein Gefängnis. Es war aus dem gleichen grauen Granit errichtet wie das große Hauptgebäude. Das unterste Stockwerk war völlig fensterlos. Die darüber liegende Etage wies ein Band kleiner Lichtöffnungen auf, selbst für einen vom Kleinen Volk zu winzig, um hier entfliehen zu können. In den nächsten beiden Geschossen wurden die Fenster dann wieder größer. Das ganze Gebäude war von Wachen umstellt.
    Der Anführer der Eskorte übergab seine beiden Schützlinge dem Obersten des Gefangenenhauses. Der hagere Malkit sah trotz seiner plattenbesetzten Uniform wie ein glatzköpfiger Gelehrter aus. Sein faltiges Gesicht wirkte listig, aber nicht unbedingt boshaft.
    »Dem Kristall

Weitere Kostenlose Bücher