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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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abgebrochenen Säulenstumpf empor, der neben dem Gorrmackmaul aus dem Boden ragte.
    »Ich könnte das für dich tun«, sagte Kraark.
    Die gepresste Stimme des Raben ließ Jonas aufhorchen. »Was ist, Kraark? Gibt es da noch etwas?«
    »Wenn man davon absieht, dass du ohne den Bilm nicht mehr mit mir sprechen kannst, eigentlich nicht.«
    Für einen Augenblick stockte Jonas der Atem. Die Zeit zerrann ihm zwischen den Fingern und jetzt auch noch das! Auf eine gewisse Weise musste er von seinem gefiederten Freund Abschied nehmen, von einem Moment zum anderen. Darina war in Gefahr. Ihrer aller Rettung stand auf dem Spiel.
    »Ich muss es tun«, sagte er schweren Herzens. »Kraark, ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg, aber ich muss es einfach tun.«
    »Schon gut«, sagte der Rabe. Auch er konnte seinen Schmerz nicht ganz verhehlen.
    »Was ich sage, wird für dich weiterhin einen Sinn ergeben, selbst wenn es umgekehrt nicht mehr so ist. Freunde verstehen sich auch ohne große Worte.«
    »Die Gespräche mit dir werden mir fehlen.«
    »Ich weiß, mein Freund.« Jonas streichelte zärtlich über Kraarks Gefieder. Dann trat ein entschlossener Ausdruck in seine Augen. »Bist du bereit, Kraark?«
    »Ja. Dieser Kanthelm hätte uns nicht zweimal herausfordern dürfen. Lass uns ihm eine Lehre erteilen!«
    Jonas prägte Macky noch einmal in einfachen Worten ein, was er zu tun hatte. Er sagte dem Gorrmack auch, dass er ihm seine Eltern und Sam schicken wolle; Macky sollte sie weder fressen noch sie aus Versehen zerdrücken, wenn er erst frei wäre.
    Die Kristallechse versprach feierlich, sich an Jonas’ Gebot zu halten.
    Anschließend gab der Junge seinen letzten Auftrag an den Raben. Kraark sollte sogleich zum Palast, dem wahrscheinlichen Wohnsitz Kanthelms, fliegen und dort nach Darina und Numin Ausschau halten. Er musste es irgendwie schaffen, ihren Aufenthaltsort herauszufinden. Er selbst, Jonas, wollte mit Bergalf nachkommen. Als Jonas dem Raben sagte, woran er ihn erkennen könne, sträubte dieser missbilligend das Gefieder. In knappen Sätzen wiederholte Kraark den Plan. Jonas’ Herz war unendlich schwer. Für ihn stand fest, dass er die knarrenden Worte des Raben nie wieder hören würde.
    Mit dem glatten ultramarinblauen Stein im Schnabel flog Kraark zur Bruchstelle der Säule empor und legte ihn vorsichtig oben auf den Stumpf. Dann machte sich der schwarze Vogel wie eine der von ihm so verabscheuten Fledermäuse auf den Weg zum Ausgang. Mit einem tiefen Seufzer sah Jonas ihn in dem engen Tunnel verschwinden.
    Als er wieder zu dem Bilm emporblickte, fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Ein helles blaues Licht rann wie Wasser die Säule herab, bis diese ganz darin erstrahlte. Jonas konnte deutlich sehen, wie der Sinnstein nach oben hin zu wachsen begann. Bald füllte er die gesamte Breite des Stumpfes aus. Von unten konnte man den Eindruck gewinnen, ein riesiger blauer Wassertropfen läge auf der glatten Bruchstelle. Dann wuchs die Säule mit einem Mal der Decke entgegen.
    »Macky!«, rief Jonas entsetzt. »Was machst du denn?«
    Das Wachstum des Kristallfingers erstarb.
    »Ich wollt’s nur mal ausprobieren.«
    »Aber jetzt ist Schluss damit! Du wartest, bis Kraark zurückkehrt und dir sagt, dass du beginnen sollst. Hast du mich verstanden?«
    »Hm, hm.«
    »Aber meine Eltern und den Mann lässt du auch in Frieden!«
    »Ist gut.«
    »Also dann bis bald, mein großer Freund.«
    »Jonas!«
    »Ja?«
    »Du bist nett.«

 
    EINE GROSSE MASKERADE
     
     
     
    Jonas rannte durch den Tunnel, als sei eine ganze Herde Büffel hinter ihm her. Als er den Hauptgang erreichte, stürzte er nach links in die Flüstererhöhle. Bald stand er vor Bergalf, Sam Chalk und seinen besorgten Eltern.
    So kurz es ging, fasste er das, was er in Mackys Höhle erfahren, hatte, zusammen. Sarah war entsetzt. Erst war ihr Sohn zu Alligatoren ins Wasser gestiegen und jetzt plauderte er mit passagierdampfergroßen Kristallechsen. Wo sollte das alles noch enden?
    »Lass uns später darüber sprechen, Mom.« Jonas wäre am liebsten ohne jedes weitere Wort losgestürmt.
    »Wir sollten trotzdem alle zusammen gehen«, beharrte sein Vater.
    »Nein. Wir können nicht zu viert in der Stadt herumspazieren, ohne entdeckt zu werden.«
    »Dann gib mir deinen Fingerhut. Ich gehe und du bleibst hier.«
    »Ich habe gelernt Syrdas Hütchen zu benutzen«, widersprach Jonas. »Ich habe keine Zeit mehr, es dir zu zeigen, Dad. Geht bitte vor zu Mackys Höhle. Er wird euch

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