Das Echo der Flüsterer
Raketenstellungen zu bombardieren, dann werden die taktischen Raketen mit Sicherheit abgefeuert werden!«
Eine lange Pause entstand. Jeder versuchte zu begreifen, was die Wissende über den Einsatz von Atomwaffen in der Karibik gesagt hatte. Der Kristall würde sterben! Und die Malkits würden viel zu spät erkennen, dass ihr Eifer irregeleitet war. Nicht ein wesenloser Stein war der Schöpfer ihrer Welt. Der blaue Kristall stellte selbst nur ein Rädchen im Uhrwerk der Schöpfung dar. Er war nicht mehr als ein Werkzeug, eine Kelle, um Azons vielfältiges Leben aus dem Brunnen der Erde zu schöpfen. Wenn der Zugang zu dieser Quelle abgeschnitten würde, dann musste Azon verlöschen, wie ein Öllicht, dem langsam der Brennstoff ausgeht…
Darina durchbrach schließlich das betroffene Schweigen. Sie holte tief Luft, straffte die Schultern und sagte mit fester Stimme: »Ich sehe nur eine Möglichkeit für uns.«
Alle Augen hingen gespannt an ihren Lippen.
»Wir müssen die Spiegel Keldins finden.«
»Oh nein!«, entfuhr es Jonas.
»Was ist mit dir?«
»Wer ist nun schon wieder dieser Keldin?«
Zum ersten Mal seit langer Zeit meldete sich Kraark zu Wort. »Die Legende berichtet von drei blauen Spiegeln. Eigentlich sind es gar keine richtigen Spiegel, sondern sehr dünne glatte Scheiben, die vor Äonen der Schmied Keldin aus dem blauen Kristall schnitt. Keldin war ein Zeitgenosse von Schamakh dem Weber. Er galt als ein großer Meister seines Handwerks und nach ihm hat nie mehr einer vom Kleinen Volk den Stein auch nur zu ritzen vermocht. Die Kristallscheiben sollen eine besondere Eigenschaft besitzen: Man kann durch sie hindurch jedes Lebewesen auf der Erde beobachten, seine Absichten erkennen und ihm zuflüstern.«
»Hat er dir gerade erklärt, was Keldins Spiegel sind?«, fragte Darina, mit dem Kopf auf den Raben weisend.
»Ja«, antwortete Jonas. »Wenn ich es recht verstehe, kann man mit den Spiegeln jeden Menschen erreichen, nicht nur wie in der Höhle der Flüsterer denjenigen, der zufällig vor den Facetten des Kristalls erscheint.«
»Das ist richtig.«
»Warum hat sich eigentlich bisher noch niemand auf die Suche nach ihnen gemacht?«
»Es heißt, sie seien im Zwieland verschollen«, antwortete Syrda an Darinas Stelle.
»Im Zwieland?«
»Die Legiden sprechen in ihren Chroniken davon, dass es noch eine dritte Region in Azon gibt, in der weder Bonkas noch Malkits leben. Der Schmied Keldin hatte vor langer Zeit gegen Malkit, den Anführer der Aufsässigen, gekämpft und ihn im Kampf besiegt. Malkits Sohn versuchte daraufhin, Keldin zu töten. Der Schmied jedoch besaß Kenntnisse über unsere Welt, die selbst in den Chroniken nicht zu finden sind. Er nahm seine drei Spiegel und flüchtete ins Zwieland. Später, als Schamakh den Vorhang der ewigen Trennung webte, wurde das Kleine Volk gespalten. Keldin aber kehrte nie mehr in eines – der beiden Länder zurück.«
Darina sagte fast beiläufig: »Die Malkits besitzen einen der blauen Spiegel.«
Wieder erntete sie Bestürzung. »Woher weißt du das?«, entfuhr es Arjoth.
Belkan bedachte ihn mit einem strafenden Blick. Als Arjoth beschämt die Augen senkte, sagte der Oberälteste zu Darina: »Dein Wissen ist eine schwere Bürde für uns. Und dennoch müssen wir dir dankbar sein. Ist es Kanthelm selbst, der den Spiegel besitzt?«
Darina nickte. »Das Haupt der Malkits ist die Wurzel allen Übels. Kanthelm persönlich hat dem Leitbären eingehaucht, die Raketen an seine Moskitofreunde zu schicken.«
»Und du glaubst wirklich, dass die beiden anderen Spiegel noch existieren?«
»Es gibt wohl nur noch einen von ihnen. Der zweite ist schon vor langer Zeit zerborsten. Aber ich bin überzeugt, dass der dritte noch nicht zerstört wurde.«
»Du bist nur ›überzeugt‹?«, fragte Jonas.
»Etwas Großes überschattet die Erinnerung, die der Stein mir eingepflanzt hat. Es muss von gleicher Natur sein wie der Spiegel, deshalb habe ich nur ein undeutliches Bild. Ich weiß nur so viel: Wir müssen das Zwieland aufsuchen und nach einer hohen Klippe suchen, auf der eine Burg steht.«
Jonas sah Darina erstaunt an. »Eine… was?«
»Keldin errichtete eine Burg im Zwieland. Übrigens ist er nicht allein dorthin geflohen. Eine kleine Schar Getreuer mit ihren Familien hat die Gefahren des Weges auf sich genommen und ist mit ihm ins Zwieland gegangen. Jahrhunderte später erbauten deren Nachkommen dort sogar eine Stadt.«
»Gibt es eine Facette, die in dieses
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