Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
schicken können, damit ich dort nach Unterlagen suchen sollte, die niemand finden würde, da es solche Unterlagen nicht gab!
Wie ein Versuchskaninchen kam ich mir vor, das von hier nach da gesprungen war und immer das getan hatte, was die Lügner mir auftrugen. Ich war von den Lügnern abhängig, ihnen ausgeliefert gewesen und hatte es nicht bemerkt. Wie war ich überhaupt ins Krankenhaus gekommen? Hatten David oder Pascal mich vom Fenster aus zusammenbrechen sehen und einliefern lassen? Das war unwahrscheinlich, da sie fürchten mussten, dass ich das Geheimnis, das entscheidende Geheimnis, sofort ausplaudern würde: dass Pascal noch lebte. Nicht an einem obskuren Ort in Südamerika; er befand sich in Frankfurt, war greifbar, er war dingfest zu machen. Wahrscheinlich hatten mich nicht David oder Pascal gefunden, sondern jemand anders, ein nächtlicher Passant, ein Autofahrer, dessen Scheinwerfer plötzlich eine im Rinnstein liegende Frau erfasst hatten. Vielleicht waren David und Pascal erst aufmerksam geworden, als der Krankenwagen vor dem Haus hielt und das kreisende Blaulicht zu Davids Fenstern hochblinkte. Waren sie hinuntergestürzt, hatten zugeschaut, wie ich auf der Trage in den Wagen geschoben wurde? Vielleicht sollte ich die Schwester fragen, wer mich eingeliefert hatte – später.
Bis jetzt hatte ich Pascals Geheimnis gedeckt, war sein Schutzschild gewesen, indem ich wie eine Verrückte meinen tot geglaubten Mann suchte, wodurch die meisten angenommen hatten, dass er wirklich tot war. Nun wusste ich, er lebte. Pascal wusste, dass ich es wusste.
Nur Stein hatte Pascal das Verwirrspiel von Anfang an nicht abgenommen, den Tauchunfall in Rio, die Muränenhöhle, die Suche nach der Leiche. Es gab keine Leiche, mein Mann trank Rotwein, er kannte David, mein Mann war in der Stadt. Stein schien der einzige Aufrichtige in dieser Sache zu sein, seine Theorie hatte sich als Wahrheit entpuppt. Ich musste ihn sprechen! Wie viel Uhr war es? Dunkelheit draußen, es regnete immer noch. Ich schlug die Decke zurück, setzte mich auf. Ich vermutete meine Kleider im Schrank und schob die Beine aus dem Bett. Beim Versuch, das Gewicht darauf zu verlagern, wäre ich fast umgekippt. Was hatten die mir gegeben? Mein niedriger Blutdruck konnte unmöglich der Grund für diesen Schwächezustand sein. Ich zog mich aufs Bett zurück wie auf eine Insel. Ich musste Stein telefonisch verständigen; auch dazu hätte ich meine Kleider gebraucht, in meiner Brieftasche steckte seine Karte. Ich klingelte nach der Schwester.
»Können Sie mir bitte meine Brieftasche geben?«
»Wozu?«
»Ich soll nicht einschlafen, dazu muss ich mich beschäftigen.«
»Soll ich den Fernseher anmachen?«
»Wie viel Uhr ist es?«
»Gleich Mitternacht.«
»Wann bin ich eingeliefert worden?«
«Vor zwei Stunden.«
»Wo bin ich hier eigentlich?«
Sie nannte mir die Station und erklärte, dass ein gewisser Stein ein paarmal angerufen habe. Verwirrt bat ich die Schwester um meine Handtasche, fand mein Telefon und tippte Steins Nummer.
Die Mailbox. Tag und Nacht erreichbar? Von wegen: Die Herren vom Frankfurter Betrugsdezernat schliefen. Ich hinterließ keine Nachricht. Das Telefon in der Hand überlegte ich, was ich mit zwei nutzlosen Beinen sonst unternehmen konnte.
Es klingelte, ich starrte auf das Display; es war die Nummer, die ich eben gewählt hatte.
»Na endlich.« Steins Stimme klang nicht schlaftrunken. »Wie geht es Ihnen?«
»Sie hatten mit allem recht«, sagte ich.
»Womit?«
»Pascal lebt.«
Ich deutete die Stille als Verblüffung.
»Ich fürchte, Sie irren sich, Frau Zuermatt.«
»Ich bin im Krankenhaus, ich hatte einen Zusammenbruch.«
»Ich weiß.«
»Woher?«
»Ich bin auf dem Weg zu Ihnen und werde Ihnen die Sache gleich erklären.«
»Welche Sache? Pascal lebt!« In mir überschlugen sich die Gedanken. Wenn Stein von meinem Zusammenbruch wusste, gab es dafür nur die Erklärung, dass er mich beschatten ließ. Ich hatte vor Davids Haus gestanden. War ein Ermittler in Davids Wohnung gegangen, hatte er Pascal dort entdeckt?
»Verstehen Sie nicht, was ich sage?«, rief ich. »Ich habe Pascal gesehen!«
Ich hörte ihn seufzen. »Ihr Zustand tut mir leid, Frau Zuermatt, aber ich fürchte, Sie haben Ihren Mann nicht gesehen. Nur ein paar Minuten Geduld. Ich habe das Krankenhaus fast erreicht.«
Ich starrte das Telefon an. Wofür Geduld? Dass ich schon wieder belogen wurde? Ich hatte Pascal so deutlich erkannt, wie ich dieses
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