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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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die diese Villa barg.
    Draußen war es endgültig dunkel geworden. Ich hatte keine Lust, den Abend in dem menschenleeren Haus zu verbringen. Nach vollzogenem Sex zu anhänglich zu werden, gilt als Fehler, das Klischee war mir bekannt, doch ich kannte in Frankfurt niemanden außer David. Ich wollte ihn überraschen. Kurz entschlossen zog ich mich an, bestellte ein Taxi und verließ das Haus.
    Der Wagen verspätete sich, es hatte zu regnen begonnen. Ich wartete unter den Ästen der Eibe, die sich über den Zaun neigte. Das Taxi kam, der Fahrer wählte seine Route durch die Frankfurter Innenstadt, dieser merkwürdigen Mischung aus Verspieltem und Stromlinienförmigem, aus Mittelalter, heruntergekommenen Nachkriegsbauten und Science-Fiction. Eines der sieben Fotos hatte ich eingesteckt, holte es hervor und betrachtete Robbie im Schein der Straßenbeleuchtung.
    Das Taxi erreichte Davids Adresse. Sein Haus unterschied sich von den Bürgerbauten durch seine Durchlässigkeit, die Vorderfront war praktisch aus Glas. Davids Wohnung lag im dritten Stock. Ich stand auf dem Gehweg, Robbies Bild in der Hand. Oben brannte Licht, ich machte den ersten Schritt auf die Haustür zu, da sah ich David hinter der Glasfront auftauchen. Er erschien mit einem Weinglas in der Hand, redete und gestikulierte. Ich war ernüchtert, dass er nicht allein war. Wie gut, dass ich schon von der Straße aus bemerkte, dass er Besuch hatte, nun konnte ich ungesehen abziehen und mir Peinlichkeiten ersparen. Ich fuhr mir durchs Haar, der Regen klatschte es an. In der mir unbekannten Gegend sah ich mich nach einer Tramhaltestelle oder einem Taxistand um. Zum Lebewohl warf ich noch einen Blick nach oben. Davids Besuch trat hinter die Glasfront, es war ein Mann. Ich fühlte so etwas wie Erleichterung, dass es keine Frau war.
    Der Mann war schwerer als David, er trug einen Dreiteiler, von dem er die Jacke abgelegt hatte. Er drehte sich nach vorn, auch er hielt ein Weinglas. Mit geballter Faust redete er auf David ein. Dass es Pascal war, wusste ich, bevor ich sein Gesicht deutlich sah, es war Pascals Haltung. Breitbeinig trat er vor den Jüngeren und beschimpfte ihn. David erwiderte nichts, hielt den Kopf gesenkt. Pascal trank einen Schluck, dabei trat er hinter die Scheibe und schaute auf die Straße hinunter. Er konnte mich in der Dunkelheit unmöglich sehen, doch für mich war es, als ob mein Mann und ich einander nach Monaten zum ersten Mal in die Augen blickten. Ich spürte nicht, wie mir Robbies Bild entglitt, sah das Pflaster nicht, sah nur, wie Pascal nach oben wegkippte. Ich nahm den Nachthimmel wahr, nicht den Schlag, als ich auf dem Bordstein aufprallte. Merkwürdigerweise sah ich meine Beine, die sich anwinkelten, als wollte ich mich hier und nirgendwo sonst zum Schlafen hinlegen.

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    Dass er Arzt war, glaubte ich ihm, dass es mir schon besser ging, nicht. Ich war weit fort von mir und sah die Decke, die auf meinem Körper lag, wie aus großer Entfernung. Ich wollte schlafen.
    »Jetzt müssen Sie erst mal wach bleiben, junge Frau«, sagte der Arzt. »Wir müssen Ihren Blutdruck ankurbeln, der macht mir Sorgen.«
    »Blutdruck«, wiederholte ich, als sei es ein unbekanntes Wort.
    Er wandte sich zur Schwester und tippte mit einem Kugelschreiber auf mein Krankenblatt. »Jede Stunde«, hörte ich ihn sagen, beide verließen das Zimmer.
    Ich hatte die Vorstellung zu erfrieren. Unter anderen Umstän den hätte ich um eine wärmere Decke gebeten, aber ich wollte die Schwester, den Arzt nicht auf mich aufmerksam machen. Keiner sollte das Wort an mich richten, ich wollte nicht mehr belogen werden. Ich schlotterte unter der Decke, presste die Arme an den Leib und zog die Beine an. Ich hatte in dem Irrtum gelebt, dass andere mir Wärme geben würden, in dieser Illusion hatte ich geheiratet. Ich hatte – heute oder gestern, wel cher Tag war heute? – mit einem Mann geschlafen, weil ich mich nach Wärme sehnte. Das kalte Pflaster fiel mir ein, der Rinnstein, in dem ich gelandet war. Ich konnte zu nichts und zu niemandem zurück, es gab nichts Vertrautes, alles musste zurückgelassen, musste neu erfunden werden. Alles, was ich für Pascal gehofft, was ich um seinetwillen spekuliert hatte, musste ich vergessen. Was zwischen David und mir gewesen war, reihte ich in die Kategorie Betrug ein. Alle Ratschläge, die ich von ihm bekommen hatte, waren aus meinem Gedächtnis zu löschen. Wie hatte David, der letzte Nacht von Pascal besucht worden war, mich in die Villa

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