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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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in Südamerika, was sollte der Ort in Frankreich bedeuten?
    »Zwiebelsuppe.« Ich sagte das Wort in den stillen Raum und lachte über mich selbst – in einem fremden Haus zu sitzen und Zwiebelsuppe zu sagen, gespenstisch war das, surreal.
    Im herbstlichen Frankfurt kam ich mir wie auf einem Präsentierteller vor: Nicht ich, die anderen entschieden, was weiter geschehen würde. Wie standen Pascal und die Familie, wie standen er und Jessica in Kontakt zueinander? Was machte Pascal in diesem Moment? Hatte ich doch ihn hinter dem Fenster gesehen, war er in Frankfurt gewesen, war er noch hier? In mir verfestigte sich die Gewissheit, dass nur Jessica mir Auskunft geben konnte. Da sie sich nicht bei mir meldete, musste ich es tun. Ich rief sie an. Die Mailbox bat um Nachrichten, ich hinterließ keine. Der Tag verstrich, während ich immer wieder ihre Nummer wählte und stets enttäuscht wurde.
    Am nächsten Morgen stand Irina vor der Tür.
    Misstrauisch, wie mich die Umstände gegen jedermann gemacht hatten, war mein erster Gedanke: Wer hat sie geschickt? Kam Irina, um mich auszuhorchen, sich in mein Vertrauen zu schleichen? Sie war mit Pascal verwandt, gehörte aber nicht im engeren Sinn zur Familie. Ich hatte es damals, als sie uns in Toronto besuchte, so verstanden, dass die beiden entfernte Cousins wären, die in früher Jugend blendend miteinander ausgekommen waren. Irina war etwas jünger als Pascal, ein fröhlicher Single, gut gekleidet, ohne die teuren Marken, die sie trug, zur Schau zu stellen. Wenn ich mich recht erinnerte, arbeitete sie als leitende Angestellte in einem Auktionshaus. Vor zwei Jahren war sie als Touristin nach Kanada gekommen, hatte in einem Top-Hotel gewohnt und Pascal und mich fürstlich zum Essen ausgeführt. Eigentlich hatte sie tags darauf nach Montreal weiterreisen wollen, die Stimmung zwischen uns war aber so harmonisch und ausgelassen gewesen, dass sie ihre Weiterreise Tag um Tag verschob. Als Alibi dafür hatte ich ihr jede verdammte Sehenswürdigkeit Torontos gezeigt – vom Island Park bis zum St. Lawrence Market, vom CN Tower bis zur Steam-Whistle-Brauerei. Sie hatte bereitwillig aus ihrem Leben erzählt und uns glaubhaft gemacht, dass ein Dasein als Singlefrau im 21. Jahrhundert jedem anderen vorzuziehen sei. Auch wenn sie es für ihr eigenes Leben so entschieden hatte, erkannte sie die innige Beziehung zwischen Pascal und mir und ermunterte ihren Cousin, mich nicht mehr laufen zu lassen. Ich hätte ihn völlig verwandelt, sagte sie, er sei durch mich ein neuer Mensch geworden.
    War es also überraschend, dass ich mich freute, Irina zu sehen, dass mein Misstrauen verflog, kaum dass sie die Schwelle übertrat? Ich lud sie zum Frühstück ein.
    »Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?« Ich ging in die Küche voraus.
    »Von Roman«, antwortete sie offen.
    Ihr Kontakt zu Pascals Bruder weckte sofort meinen Argwohn. »Was hat er dir erzählt?«
    »Dass Pascals Kleine aufgetaucht ist und durch die Frankfurter Villa geistert.« Sie warf ihre Handtasche auf die Anrichte und schwang sich auf den Barhocker. »Ich mag den Herrn Bürgermeister nicht besonders. Er ist das totale Gegenteil von Pascal.« Als sie meinen fragenden Blick bemerkte, fuhr sie fort: »Er ruft mich manchmal an, wenn er in Frankfurt zu tun hat. Dann muss ich meistens ein stinklangweiliges Abendessen über mich ergehen lassen.«
    »Ihr wart zusammen aus?« Ich hatte Kaffee aufgesetzt und öffnete den Kühlschrank.
    »Diesmal bin ich drum rumgekommen, er musste nach Hause zurück.«
    »Hast du ihm gesagt, dass du mich besuchen würdest?«
    »Ja. Warum denn nicht?«
    Mir wären hundert Gründe eingefallen, doch ich sagte: »Ich fürchte, ich kann dir nicht viel mehr anbieten als Toast und Quittenmarmelade.«
    »Mein Leibgericht«, scherzte sie und sah sich um. »Hier hat sich gar nichts verändert.«
    »Natürlich nicht. Das Haus war ja unbewohnt.«
    »Ich dachte … Komisch oder, dass man denkt, wenn jemand stirbt, müsste sich alles ändern.«
    »Das tut es auch«, antwortete ich. »Du würdest nicht glauben, wie sehr.«
    Als ich die Teller brachte, streichelte sie voll Mitgefühl meinen Arm. »Auch mir fehlt er sehr, unser Pascal.«
    Mit einem Mal stand der Totgeglaubte so greifbar im Raum wie in all den Stunden nicht, die ich hier verbracht hatte. Durch Irina bekam Pascal seine Menschlichkeit zurück, durch sie verstand ich das Gefühl wieder, das mich einmal zu ihm hingezogen hatte. Die vergangenen Tage hatten

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