Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
ist.«
Ich lächelte. »Dann habe ich von ihr nichts zu befürchten.«
»Wenn du dich da mal nicht irrst.« Sie legte das Besteck zusammen. »Du bist ein Stein in Jessicas Schuh, und der drückt sie gewaltig. Gerade für sie ist es wichtig, dass Pascals Tod offiziell wird.«
»Wieso? Die beiden haben bei der Scheidung finanziell alles geregelt.«
Sie legte den Kopf schief. »So naiv kannst du nicht sein. Es geht um Robbies Erbe. Du bist Pascals rechtmäßige Frau und damit die Haupterbin. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Mich wundert, dass sie noch nichts gegen dich unternommen hat.«
Plötzlich kam ich mir wieder mutterseelenallein vor. »Hilfst du mir, Irina?«, sagte ich impulsiv. »Du bist die einzige der Zuermatts, der ich traue.«
»Ich bin keine Zuermatt. Ich war Pascals Freundin, eher sein Kumpel . Es tat mir leid, dass wir uns in letzter Zeit kaum gesehen haben.«
»Ich glaube, dass Pascal noch lebt«, sagte ich so leise, als ob wir belauscht würden. »Ich glaube, Jessica weiß das auch, mehr noch: Sie weiß, wo er sich aufhält. Vielleicht ist sie überhaupt die Einzige, die seinen Aufenthaltsort genau kennt.« Unsicher sah ich Irina an.
Ihre Miene war schwer zu deuten, es lag Rührung darin, Zweifel und Besorgnis. »Ich nehme an, du hast triftige Gründe für deine Annahme.« Sie musterte mich aufmerksam.
»Ja, Irina. Ich habe den Beweis.« Ich atmete tief durch. »Dieser Beweis ist sehr persönlicher Natur …«
Sie spürte meine Skrupel. »Erzähl mir nichts, was dir später leidtun könnte.«
Ich stand auf, ging ein paar Schritte. »Ich glaube, dass Jessica und Pascal sein Verschwinden gemeinsam geplant haben. Dass es wie ein tödlicher Unfall aussehen sollte, gehörte zu ihrem Plan. Mit anderen Worten: Wenn ich erfahren will, wo mein Mann ist, muss ich noch einmal mit Jessica sprechen.«
Nun, da die Katze aus dem Sack war, zögerte ich nicht, Irina der Reihe nach alles zu erzählen. Zu meiner Überraschung zweifelte sie meine Schlussfolgerungen nicht an, sondern bestärkte mich darin.
»Du glaubst also nicht, dass das nur Hirngespinste sind?« Ich war so erleichtert, dass ich lachen musste.
Wir hatten unsere Kaffeetassen genommen und waren in den Salon gegangen.
»Ob du mit allem recht hast, weiß ich nicht, aber in einer Sache täuschst du dich bestimmt nicht: Wenn ein Mensch in dieser Angelegenheit mehr weiß, dann ist es Jessica. Ruf sie an.«
»Das habe ich versucht – ich erreiche immer nur ihre Mailbox.«
»Sie lässt dich zappeln.« Irina strich an der Bücherwand entlang. »Wenn du bloß wartest, bis sie dir Audienz gewährt, akzeptierst du ihren Rhythmus, dann gibt sie das Tempo vor.« Sie zog ein Buch heraus. »Warum rufst du sie nicht im Büro an?«
»Meinst du?«
»Die Firma heißt Borlaise und Partner.« Sie blätterte. »Jessica soll begreifen, dass du ihr auf der Spur bist.«
Irinas Zuspruch ermutigte mich, andererseits gewann ich den Eindruck, dass ihre Feindschaft mit Jessica tiefer gehen musste, als sie zugab. »Du meinst, jetzt gleich?«
»Soll ich dich währenddessen allein lassen?«
»Nein«, erwiderte ich rasch. »Einen Schutzengel wie dich kann ich gut gebrauchen.«
»Ich hoffe, dich nicht zu enttäuschen.«
»Dir liegt Pascal genauso am Herzen wie mir.« Ich fand die Nummer und wählte. Nach dem ersten Klingeln wurde abgenommen.
»Borlaise und Partner«, sagte eine Frauenstimme – kühl, dabei gewinnend, geschäftig, aber nicht gestresst. »Sie sprechen mit Frau Kost.«
»Antonia Zuermatt hier. Bitte verbinden Sie mich mit Jessica.«
»Frau Faber ist diese Woche in Paris.«
»Paris?«
Der Name versetzte mir einen leichten Schauer. Für mich gebürtige Nordamerikanerin war Paris der Inbegriff des alten, des romantischen Europa. Paris war der Name eines Traumes, den jeder sich einmal erfüllen wollte. Pascal hatte mir Paris gezeigt. Es gab nur wenige Städte auf der Welt, die ein ähnliches Gefühl auslösten – New York, Rom vielleicht, Venedig. Wenn man wie ich aus Toronto kam, einer Millionenstadt, die niemanden zum Träumen brachte, war die Nennung von Paris gleich einem Zauberspruch.
»Das trifft sich gut«, antwortete ich spontan. »Ich fliege morgen nach Paris. Wo kann ich sie erreichen?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen. Geben Sie mir bitte Ihre Nummer, dann ruft Frau Faber Sie zurück.«
»Vielen Dank. Ich versuche es lieber auf ihrer Mobilnummer.« Ich legte auf und war im Begriff, die Sache verloren zu geben, aber Irina bedeutete
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