Das Echo der Schuld
zurückzuschieben, und erregte damit erst recht den Argwohn ihrer Mutter.
»Was hast du denn da?« Doris war mit zwei Schritten neben ihr und nahm ihr die Karten aus der Hand. Überrascht betrachtete sie die Inschrift.
»Ich dachte eigentlich«, sagte sie dann, »dass ich mich klar ausgedrückt hätte? Es wird keine Party geben!«
»Ich weiß. Aber …«
»Das Geld hättest du dir sparen können.« Doris gab ihrer Tochter die Karten zurück. »Du musst nicht glauben, dass ich meine Meinung noch ändern werde!«
Wenn Janie gelernt hatte, etwas nicht zu glauben, dann dies. Doris war noch nie von einer einmal gefassten Entscheidung abgewichen.
»Ich habe …«, begann sie und hielt dann inne … einen ganz netten Mann kennengelernt, hatte sie gerade sagen wollen. Aber sie war nicht sicher, ob das klug wäre. Vielleicht wurde Mum wütend und verbot ihr von vornherein den Umgang mit ihrem Bekannten. Eigentlich aber war es eine Gelegenheit, Mum in ihre Pläne einzuweihen.
Mum, mach dir keine Gedanken wegen der Party, hätte sie gern gesagt, du musst dich um gar nichts kümmern! Stell dir vor, ich kenne jemanden, der will das alles für mich machen. Er hat ein schönes Haus mit einem großen Garten, in den ich so viele Kinder einladen kann, wie ich nur will. Bei schlechtem Wetter können wir in seinem Keller feiern. Er hat schon viele Kindergeburtstage veranstaltet. Das Schlimme ist nur, ich finde ihn nicht mehr. Wir haben einen Treffpunkt ausgemacht, an dem wir uns an dem Samstag treffen wollten, an dem du krank wurdest und ich daheim bleiben musste. Er sagt, er kommt jeden Montag dorthin, aber ich habe ihn nicht mehr dort gesehen. Heute will ich wieder versuchen, ihn zu treffen. Vielleicht könntest du mir helfen. Vielleicht hast du eine Idee, was ich machen könnte, um ihn zu finden?
»Ja?«, fragte Doris. »Du hast …?«
»Ich habe …« Janie schloss die Augen. Sie hätte sich ihrer Mutter so gern anvertraut. Das Schlimme war nur, dass Doris Brown so unberechenbar war. Es konnte entsetzlich schief gehen, wenn man sich ihr öffnete.
»Nichts«, sagte sie, »ich wollte eigentlich gar nichts sagen.«
Doris schüttelte den Kopf. »Manchmal kommst du mir ganz schön wirr vor. Also, los jetzt. Beeil dich. Du musst nicht gleich am ersten Tag zu spät zur Schule kommen!«
2
»Wann kommt Mummie wieder?«, fragte Kim. Sie war quengelig an diesem Morgen, und ihre Augen glänzten ein wenig. Grace, die sich nur krächzend verständigen konnte und vor Kopfschmerzen meinte, jeden Moment rasend zu werden, legte dem Kind besorgt die Hand auf die Stirn.
»Fieber hast du nicht«, stellte sie fest, »ich fürchte ja, du wirst dich bei mir anstecken!«
»Ich mag nicht zur Schule gehen«, maulte Kim.
»Aber da bist du doch immer gern hingegangen«, meinte Grace. »Denk nur an all die vielen netten Kinder, die du wiedersiehst! Die hast du doch sicher schon vermisst!«
»Nein«, sagte Kim störrisch. Sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Tasse. Sie war müde. Sie mochte nicht in die Schule gehen, wo sie wieder stundenlang still sitzen und aufpassen musste. Sie vermisste ihre Mutter. Wieso war sie am ersten Schultag nicht da?
Grace nahm sich ein Taschentuch und schneuzte sich die Nase. Ihre Glieder schmerzten, und sie konnte kaum mehr schlucken. Sie hatte gehofft, nur eine leichte Erkältung zu haben, die sie mit viel Vitaminen und einem Kamilledampfbad schnell wieder wegbekommen würde, aber dies nun schien sich zu einer richtigen Grippe auszuwachsen. Es war ihr hundeelend. Hätte sie nicht die Verantwortung für Kim gehabt, sie wäre an diesem Tag gar nicht aufgestanden. Zu allem Überfluss hatte Jack schon ganz früh am Morgen zu einer zweitägigen Fahrt hinunter nach Plymouth aufbrechen müssen. Er fuhr einen Transport mit Styroporplatten, für den er schon vor Wochen zugesagt hatte. Beim Anblick seiner Frau allerdings hatte er überlegt, aus dem Geschäft auszusteigen. Grace hatte jedoch heftig widersprochen.
»Auf keinen Fall! Mr. Trickle ist immer so nett und verschafft dir diese Jobs. So schnell kann er niemanden als Ersatz linden. Du darfst ihn nicht enttäuschen!«
»Dir geht es aber ganz schön schlecht!« Jack war wütend geworden. »Es ist rücksichtslos, was Mrs. Quentin sich da leistet! Ich meine, Mr. Quentin kann nichts dafür, dass er nach London musste, dort ist sein Beruf, und da kann er nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Aber Mrs. Quentins Aufgaben sind nun einmal hier. Wie kann
Weitere Kostenlose Bücher