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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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»aber ich bin krank vor Sorge. Frederic und Jack suchen seit anderthalb Stunden die Schule und das umliegende Gelände ab, aber offenbar haben sie bislang nichts gefunden.«
    »Ich weiß, das ist schrecklich«, sagte Nathan. Auch er klang nun ruhiger, sprach mit der sanften Stimme, die sie an ihm liebte. »Aber du solltest nicht gleich an das Schlimmste denken. Gestern Abend hatten wir die gleiche Situation. Bestimmt hat sich Kim wieder irgendwo verkrochen. Sie ist traurig und fühlt sich vernachlässigt, und es ist vielleicht ihre Art, deine Aufmerksamkeit zu erzwingen.«
    »Aber es sind schon so viele Stunden vergangen …«
    »Das beweist nur, dass sie diesmal ein besseres Versteck gefunden hat. Nicht, dass ihr etwas zugestoßen ist. Virginia, Liebste, dreh jetzt nicht durch. Du wirst sehen, sie ist ganz bald wieder bei dir.«
    Tatsächlich spürte Virginia, dass sie ruhiger wurde. Ihr Herzschlag ging wieder ein wenig langsamer.
    »Ich hoffe, du hast Recht. Wo bist du überhaupt?«
    »In Hunstanton. In einem Bed & Breakfast.«
    »In Hunstanton? Warum so weit draußen?«
    »Schatz, wir werden uns in den nächsten Tagen ohnehin nicht viel sehen können. Bei euch kann ich nicht aufkreuzen, und du wirst viel mit deinem Mann zu klären haben. Und du solltest mit deiner Tochter zusammen sein. Sie braucht dich, sie ist jetzt wichtiger als wir.«
    Er hatte Recht, natürlich. Virginia war froh, dass er so dachte.
    »Und wenn ich schon so lange ohne dich sein muss«, fuhr er fort, »dann bin ich am liebsten am Meer. Hier kann ich am Strand entlangwandern, und hier gefällt es mir.«
    »Ja. Ich verstehe das.«
    »Wie lief es mit deinem Mann?«, fragte er.
    Sie seufzte. »Er ist verletzt. Verzweifelt. Hilflos. Es ist eine schreckliche Situation.«
    »Geschichten dieser Art sind immer schrecklich. Wir werden das durchstehen.«
    »Wenn nur Kim …«
    »Psst«, unterbrach er sie. »Kim ist bald wieder bei dir. Etwas anderes darfst du gar nicht denken.«
    Ihr fiel noch etwas ein. »Was ist denn nun mit meinem Auto?«
    »Offensichtlich die Batterie. Keine Ahnung, warum. Mir hat schließlich jemand mit seinem Starterkabel geholfen. Es fährt jetzt wieder.«
    »Ausgerechnet heute! Ausgerechnet heute musste so etwas passieren!«
    »Vielleicht hätte ich sie auch nicht angetroffen, selbst wenn ich pünktlich da gewesen wäre. Wenn sie vorhatte zu verschwinden, dann …«
    »Aber sie stand zuerst noch am Tor und wartete. Das haben mir ihre Freundin und einer ihrer Lehrer bestätigt.«
    Er seufzte. »Gut. Dann hat sie gewartet. Niemand erschien, und sie begann sich schon wieder von Mummie vernachlässigt zu fühlen. Und darauf reagiert sie derzeit nun einmal mit Weglaufen. Das wissen wir doch jetzt.«
    »Nathan …«
    »Ja?«
    »Kannst du mir deine Telefonnummer geben? Ich möchte das Gefühl haben, dich erreichen zu können.«
    Er diktierte ihr die Adresse und die Telefonnummer des Hauses, in dem er untergekommen war.
    Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, fühlte sich Virginia schrecklich einsam und müde. Allein gelassen mit ihrer Angst. Frederic war nicht da. Nathan war so weit weg.
    Ihr Kind war dort draußen in der Dunkelheit.
    Irgendwann waren Frederic und Jack zurückgekommen. Müde und vom Regen durchnässt. Und ohne Kim.
    »Nirgends«, sagte Frederic, »wir haben alles abgesucht. Sie ist nirgends.«
    »Der Hausmeister ist mit uns durch alle Räume gegangen«, berichtete Jack, »sogar bis hinunter in den Keller. Es gibt keinen Flecken in dieser Schule, an dem wir nicht nachgesehen hätten.«
    »Ich rufe jetzt die Polizei an«, sagte Frederic und ging zum Telefon.
    Wie war diese Nacht vergangen? Für den Rest ihres Lebens würden blinde Flecken durch Virginias Gedächtnis ziehen, wenn sie an jene Stunden bis zum ersten Morgengrauen dachte. Weder sie noch Frederic waren ins Bett gegangen. Jack hatte noch eine Weile bei ihnen gesessen, grau vor Erschöpfung im Gesicht, und nachdem er zweimal in seinem Sessel eingenickt war, hatten sie ihn nach Hause geschickt.
    »Grace braucht Sie jetzt«, hatte Frederic gesagt, und Jack war gegangen, nicht ohne zu bitten, man möge sofort anrufen, wenn sich etwas Neues ergebe.
    Die Polizei hatte gesagt, am nächsten Morgen werde jemand vorbeikommen. Sie hatten sich eine genaue Beschreibung von Kim diktieren lassen. Alter, Größe, Haar- und Augenfarbe, Kleidung.
    Irgendwann gegen ein Uhr morgens war Frederic noch einmal mit der Taschenlampe losgezogen, um den Park abzusuchen. Virginia hatte

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