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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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die noch immer im Vorgarten arbeitete und ihr überrascht nachgeschaut hatte, da war sie entschlossen gewesen, direkt zur Polizei zu fahren und dort alles zu sagen, was geschehen war und was sie über Nathan Moor wusste. Seine Lügengeschichten, seine Hochstapelei, alles. Stattdessen war sie nun zu Hause in Ferndale gelandet und stand unschlüssig im Wohnzimmer herum.
    Weshalb?
    Du müsstest dann auch bekennen, wie sehr du dich in dem Mann, mit dem du deinen Ehemann betrogen hast und für den du deine Familie verlassen wolltest, getäuscht hast. Das Spiel, das er mit deiner und Frederics Angst getrieben hat, ist durch nichts zu entschuldigen. Aber im Grunde hättest du dich schon von ihm trennen müssen, als du erfuhrst, wie hemmungslos er dich über seine berufliche Situation belogen hat. Was würde Baker denken? Dass du so verrückt nach diesem Typen warst, dass du ihm seinen Betrug verziehen und ihn sogar noch irgendwie vor dir schöngeredet hast. Als was stehst du dann da? Als eine mannstolle Person? Als eine Frau, die jeden Stolz verloren hat? Im besten Fall wahrscheinlich noch als hoffnungsloses Dummchen.
    Ist es das? Ist es das, weshalb du zauderst? Willst du einfach dein letztes bisschen Ansehen nicht verspielen?
    Sie schüttelte langsam den Kopf. Ja und nein. Eines war klar: Würde sie auch nur im Mindesten noch glauben, dass Nathan in Wahrheit doch etwas mit Kims Verschwinden zu tun hatte, wäre sie längst bei der Polizei. Dann hätte es nicht den kleinsten Moment des Überlegens gegeben.
    Das aber bedeutete, dass sie es nicht glaubte. Dass etwas in ihr sehr unmissverständlich sagte, dass Nathan diesmal nicht log. Dass er Kim wirklich nicht hatte. Dass er nur versucht hatte, auf eine unsägliche Weise an hunderttausend Pfund zu kommen und damit seine ausweglose Situation zu verbessern.
    Oder redete sie sich da schon wieder etwas ein? Immerhin hatte sie am Vormittag plötzlich so stark an ihm gezweifelt, dass sie ihn aufgesucht hatte, um sich über ihn und seine Rolle in der Geschichte klar zu werden.
    Als das Klingeln des Telefons plötzlich die Stille durchschnitt, erschrak sie so sehr, dass ihr der Rekorder aus den Händen rutschte. Das Zittern, das sie sofort befiel, kannte sie, seit der Erpresser angerufen hatte. In der nächsten Sekunde fiel ihr ein, dass er sich nie wieder melden würde.
    Vielleicht war es die Polizei. Bei diesem Gedanken fingen ihre Hände noch unkontrollierter zu zittern an, aber sie versuchte sich zu beruhigen.
    Wäre es etwas Schlimmes, dann kämen sie hierher. Eine schlimme Nachricht würden sie mir nicht am Telefon überbringen.
    »Ja«, meldete sie sich.
    »Virginia?« Es war Livia.
    Virginia atmete tief und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn.
    »Oh, Livia. Sind Sie in Deutschland?«
    »Ja. Und ich wollte wissen, ob es etwas Neues wegen Kim gibt?«
    Sie war wie eine gute Freundin. Zuverlässig und aufmerksam. »Nein, Livia, leider nicht. Wir haben immer noch keine Spur von ihr.«
    Am anderen Ende herrschte längeres Schweigen. »Das ist ja schrecklich«, sagte Livia dann bedrückt. »Sie und Frederic müssen durch die Hölle gehen.«
    »Das ist so, ja.« Virginias Stimme schwankte. »Es ist einfach unvorstellbar, Livia, eigentlich ist es nicht auszuhalten. Man wundert sich die ganze Zeit, dass man nicht den Verstand verliert. «
    »Ich wünschte, ich könnte etwas tun«, sagte Livia, und sie klang sehr aufrichtig.
    Virginia kam plötzlich ein Gedanke.
    »Livia, das ist vielleicht eine seltsame Frage, aber bevor Sie damals nach Skye kamen, wo haben Sie da Station gemacht? Waren Sie je in der Gegend von King's Lynn?«
    »Nein«, sagte Livia, »wir sind von Anfang an ziemlich weit hoch in den Norden gesegelt. Wir waren in …«
    »Okay. Jedenfalls nicht hier?«
    »Nein. Warum?«
    »Das kann ich Ihnen nicht erklären. Livia, es ist … ich werde nicht mit Nathan zusammenbleiben.«
    »Oh …«
    »Ich muss noch etwas wissen. Er hat ja wohl nie richtig Geld verdient, aber lag das wirklich an seiner Lebenssituation damals? Und gab es für ihn tatsächlich jahrelang nie eine Chance, dieser Situation zu entkommen?«
    Livia schwieg so lange, dass sich Virginia schon fragte, ob sie überhaupt noch am Apparat war. Welchen Grund, dachte sie, sollte sie haben, mir Rede und Antwort zu stehen?
    »Die Situation war schwierig für ihn«, erklärte Livia schließlich, »aber er hat daran mitgewirkt, sie zu erhalten. Wissen Sie, ich hatte größte Probleme, meinen schwerbehinderten

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