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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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kauerte.
    »Er hat nach Michael gefragt?«
    Sie nickte.
     
    6
     
    Michael
     
    Es war einer der ersten wärmeren Abende des Jahres 1995, der 24. März, als Michael zum ersten Mal wieder beschloss, mit dem Fahrrad zum Training zu fahren. Der Winter war kalt und regnerisch gewesen, aber endlich ließen sich erste Anzeichen des nahenden Frühlings erahnen. Die Luft war mild und samtig und der Himmel von jenem lichten Blau, das nur der März hervorbringt. Überall schossen die Narzissen aus der feuchten, schwarzen Erde und öffneten weit ihre Blüten, und die Vögel sangen in einem endlosen Konzert.
    Michael zog seinen dunkelblauen Trainingsanzug und seine Stiefel an, packte Turnschuhe, Handtuch und eine Flasche Mineralwasser in seinen Rucksack und rollte das Fahrrad aus der Garage. Schon am Nachmittag hatte er die Reifen geprüft und neu aufgepumpt. Tommi hatte daneben gestanden und fachmännische Ratschläge erteilt.
    »Pass auf«, hatte Michael gesagt, »wenn am Sonntag schönes Wetter ist, machen wir zusammen eine Radtour. Okay?«
    Tommi hatte über das ganze Gesicht gestrahlt. Später war er hinübergelaufen, um mit seiner Familie zu Abend zu essen, und Michael erklärte Virginia, dass es später werden könne. »Ich gehe mit den anderen hinterher wahrscheinlich noch was trinken. Rob hat heute Geburtstag, bestimmt gibt er da eine Runde aus.«
    »In Ordnung.« Sie lächelte. »Amüsier dich. Ich gehe wahrscheinlich früh schlafen. Ich bin ziemlich müde.«
    Es stimmte, sie war müde. Sie hatte den Nachmittag über im Garten gearbeitet, hatte, vom so plötzlich ausgebrochenen schönen Wetter inspiriert, Terrakottatöpfe aus der Garage geschleppt, mit frischer Erde gefüllt und sich über ihre Bepflanzung Gedanken gemacht. Sie hatte die Gartenmöbel auf die Terrasse getragen und ihnen den Winterstaub abgewaschen. Am liebsten hätte sie sich schon irgendein schwingendes, zartes Sommerkleid angezogen, aber dafür war es dann doch noch zu kühl. Vorläufig schienen ihr Jeans und Pulli trotz allem noch geeigneter.
    Am Vormittag war sie mit einem Referat beschäftigt gewesen. Normalerweise hätte sie in der Unibibliothek geholfen, hätte Bücher sortiert, umgeräumt und Titel und Standort in endlosen Listen in den Computer eingegeben. Der Job gefiel ihr, aber sie machte sich keine Illusionen: Es war eine Aushilfstätigkeit, kein Beruf. Sie musste endlich herausfinden, was sie in Zukunft wirklich arbeiten wollte. Andere schafften das auch. Gingen zielstrebig und ambitioniert ihren Weg. Nur sie wusste nicht so recht, was werden sollte. In keiner Hinsicht.
    Was Michael anging, schließlich auch nicht. An ihrem Geburtstag Anfang Februar hatte er zuletzt gefragt, ob sie ihn heiraten wolle, sie hatte wie üblich ausweichend reagiert. Sie schämte sich, weil sie ihn hinhielt, aber sie brachte es nicht fertig, die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit hätte gelautet: »Nein, ich will dich nicht heiraten. Jetzt nicht und höchstwahrscheinlich auch später nicht. Aber ich lebe gern mit dir. Jetzt. Sicher nicht für immer.«
    Michael war einfach auf einem völlig anderen Trip als sie. Er wollte seine Zukunft planen, wollte sie unter Dach und Fach bringen. Heiraten. Kinder bekommen. Er träumte von einem richtigen Familienleben. Sie musste nur beobachten, mit welcher Begeisterung er sich dem kleinen Tommi von nebenan widmete. Er liebte Kinder. Und er liebte die Sicherheit. Die gleichmäßige Abfolge ruhiger, geordneter Tage. Das Häuschen, den Garten. Seine Arbeit. Eine Frau, die da war, wenn er nach Hause kam. Einen Hund, der fröhlich um seine Beine herumtollte. Kinder, die ihm aufgeregt erzählten, was sie erlebt hatten. Denen er das Fahrradfahren beibringen und die er zum Fußballspielen mitnehmen konnte. Es waren keine unbescheidenen Wünsche, die er an das Leben hatte, und Virginia wusste, dass er ein Recht hatte, sein Leben nach seiner Fasson zu leben.
    Sie hatte so sehr gehofft, selbst einmal an den Punkt zu kommen, an dem er bereits war. Die innere Unruhe zu verlieren, die verhinderte, dass sie sich auf irgendetwas oder irgendjemand wirklich einließ. Auf einen Menschen, einen Lebensstil, auf einen Beruf. Warum gelang es ihr nicht, sich festzulegen? Warum nur hatte sie so oft diese fast zwanghafte Vorstellung, sie würde das eine versäumen, wenn sie sich auf das andere einließ? Es war lächerlich, es war kindisch. Aber sie bekam es nicht in den Griff.
    Nachdem Michael aufgebrochen war, kehrte sie die Erde auf der Terrasse

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