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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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wütend, »nun behandle mich doch nicht wie einen Schwerverbrecher! Ich habe deiner Tochter kein Haar gekrümmt. Ich weiß nicht mal, wo sie ist. Ich habe nicht das Geringste mit ihrem Verschwinden zu tun. Auch nicht mit dem Verschwinden der anderen Kinder. Ich habe einen furchtbaren, dummen Fehler gemacht. Es tut mir leid. Ich … bitte dich um Entschuldigung, wenn du das möchtest.«
    »Und woher weiß ich, dass es stimmt, was du sagst? Vielleicht ist ja kein Wort davon wahr, dass vorgestern dein Auto nicht ansprang. Ziemlich schlau, denn hättest du wie vereinbart Kim abgeholt, hättest du sie kaum zum selben Zeitpunkt entführen können, ohne in Verdacht zu geraten. So glaubte jeder, du hättest hier in Hunstanton festgesessen. In Wahrheit bist du nach King's Lynn gefahren und hast dir Kim geschnappt, bevor Grace …« Ihre Stimme brach, die Tränen machten es ihr unmöglich, weiterzusprechen.
    Nathan schüttelte den Kopf. »Nein! Ich steh nicht auf Kinder! Ich finde die Typen komplett abartig, die das tun. Ich kann es in meinen finstersten Träumen nicht nach vollziehen!«
    »Und warum soll ich dir das glauben?«, schrie sie.
    »Weil du mich kennst!«, schrie er zurück. »Weil du meine Geliebte warst! Weil du es gespürt hättest, wenn dich ein Kinderschänder gevögelt hätte!«
    Sie fuhr sich mit dem Unterarm über die Augen, schniefte hörbar. Nicht mehr weinen. Keinen Moment mehr. Sondern handeln.
    Sie griff sich den Rekorder, nahm ihre Handtasche. »Sicher weiß die Polizei besser als ich, wie man die Wahrheit herausfindet«, sagte sie. »Dort kannst du dann auch erklären, wo du dich aufgehalten hast, als das erste Kind ermordet wurde. Auf Skye jedenfalls noch nicht.«
    »Aber auch nicht hier. Was sich leicht beweisen lässt, da man ja in jedem Hafen, in dem man ankert, registriert wird. Du wirst in der gesamten Umgebung hier nicht eine Registrierung der Dandelion finden.«
    »Das kann ja Superintendent Baker überprüfen. Er wird seinen Job gut machen.« Sie wollte an ihm vorbei, aber er hielt ihren Arm fest.
    »Lass mich los«, sagte sie.
    »Du willst jetzt zur Polizei?«
    »Natürlich. Und wenn du mich nicht sofort loslässt, dann schreie ich. Deine Wirtin ist unten. Ich schreie um Hilfe.« Er ließ sie los.
    »Dann geh doch«, sagte er und trat zur Seite. Sie lief aus dem Zimmer, ohne ihn noch ein einziges Mal anzusehen.
     
     

4
     
    Sie hätte später nicht zu sagen gewusst, wie sie nach Ferndale zurückgekommen war. Wahrscheinlich war es ein Wunder, dass sie keinen Unfall verursacht hatte. Einige Male begann sie zu weinen und konnte vor lauter Tränen kaum etwas sehen. Als sie in die Auffahrt einbog, meinte sie, noch nie in ihrem Leben so verzweifelt und geschockt gewesen zu sein.
    Daheim schloss sie sogleich die Tür hinter sich und lehnte sich schwer atmend von innen dagegen. Wieder fiel ihr die bleierne Stille des Hauses auf. Endlos schien es her, dass das fröhliche Lachen von Kim erklungen war. Es hätten Jahre sein können, dabei waren nur zwei Tage seit ihrem Verschwinden vergangen. Zwei Tage, die zu den längsten ihres Lebens wurden.
    Sie ging ins Wohnzimmer, mit den müden, schleppenden Schritten einer alten Frau. Sie schaltete die Rufweiterleitung aus, starrte auf den Telefonapparat. Sie musste Superintendent Baker anrufen.
    Was, wenn Jack ihr sein Auto nicht gegeben hätte? Oder gar nicht zu Hause gewesen wäre? Sie hätte Ferndale nicht verlassen können. Wahrscheinlich hätte sie dann nie herausgefunden, dass Nathan den erpresserischen Anruf getätigt hatte. Er hätte den Rekorder vernichtet, sich wahrscheinlich wirklich nicht mehr gemeldet. Sie und Frederic hätten vergeblich auf ein erneutes Lebenszeichen des Erpressers gewartet und wären schließlich zu der Erkenntnis gelangt, dass es sich in der Tat um einen Witzbold mit einem Sinn für höchst makabren Humor gehandelt hatte.
    Das Misstrauen, das sie an diesem Morgen nach Hunstanton getrieben hatte, hätte sich wieder gelegt, und sie hätte mit Nathan gelebt und bis ans Ende aller Tage nicht erfahren, welche perfide Rolle er in dem größten Drama ihres Lebens gespielt hatte.
    Alles wäre anders gekommen. Ihre gesamte Zukunft.
    Sie schaute auf den bunten Kassettenrekorder, den sie noch immer in der Hand hielt. Nun würde er als ein Beweismittel an Superintendent Baker gehen. Dorthin gehörte er.
    Sie fragte sich, weshalb sie zögerte, Baker anzurufen.
    Als sie aus der Pension in Hunstanton gestürmt war, vorbei an der Wirtin,

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