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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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diesem Frühling. Mit dir. Mir kommt das vor wie der Höhepunkt meines Lebens. Danach wird es abwärts gehen.«
    »O Gott, mein Liebes, das sind aber verrückte Einbildungen!« Er nahm sie in die Arme. Sie presste ihr Gesicht gegen seine Schulter und lauschte seiner tröstenden Stimme. »Du bist gerade erst dreiundzwanzig Jahre alt! Da beginnt das Leben noch lange nicht abwärts zu gehen. Auf dich warten noch so viele wunderbare Momente. Du wirst sehen.«
    Sie fand es befremdlich, dass er gesagt hatte: Auf dich warten noch so viele wunderbare Momente. Warum hatte er nicht gesagt: Auf uns warten noch so viele wunderbare Momente?
    Sie sprach ihn darauf an. Er reagierte etwas verärgert. »Meine Güte, Virginia! Musst du jedes Wort von mir auf die Goldwaage legen? Schließlich haben wir gerade von dir gesprochen. Nicht von mir. Du bist wirklich manchmal schwierig.«
    Sie sah zur Burg hinüber, dann in die tief unter ihr rauschenden dunklen Fluten des Flusses.
    Wahrscheinlich hatte er Recht. Sie hatte seinen Worten viel zu viel Bedeutung beigemessen. Sie wunderte sich über sich selbst. Fröhlich, wild und lebenslustig, wie sie war, hatte sie nie dazu geneigt, sich in Grübeleien zu stürzen, den unausgesprochenen Worten anderer Menschen hinterherzulauschen. Warum tat sie es jetzt? Ausgerechnet an diesem herrlichen, sonnigen Tag hoch über dem Tiber, zu Füßen der Engelsburg?
    Weil mir die ungeklärte Situation mehr zusetzt, als ich vor mir selbst zugeben möchte, dachte sie und drängte diesen Gedanken gleich darauf erschrocken und mit großer Konsequenz zur Seite.
    Die zauberhafte Woche mit Andrew in Rom wollte sie sich durch nichts zerstören lassen.
    Am Abend gingen sie wieder zur Spanischen Treppe. Das taten sie an fast jedem Abend, denn das kleine, lauschige Hotel, in dem sie abgestiegen waren, lag nur wenige Minuten entfernt. Da es bis tief in die Nacht hinein sommerlich warm war, hielten sich unzählige Menschen dort auf. Es machte Spaß, einfach auf den Stufen zu sitzen und alles zu beobachten, was ringsum geschah, den vielen Stimmen zu lauschen und dem Hupen der Autofahrer. Nacht für Nacht war der Himmel wolkenlos und wie schwarzer Samt, übersät von Sternen. Andrew machte Fotos von Virginia. Auf allen Bildern hatte sie glücklich funkelnde Augen und schien voller Freude und Lebenslust.
    Nie mehr vorher oder nachher würde es Fotos geben, die sie so strahlend zeigten.
    Das Glück endete am Tag ihrer Abreise.
    Es war früher Morgen, erstes Tageslicht sickerte durch die schmalen Ritzen der hölzernen Fensterläden vor ihrem Zimmer. Leise noch und zaghaft erwachte Rom draußen zum Leben. Virginia und Andrew liebten einander mit der Intensität und Hingabe, die das Bewusstsein des nahenden Abschieds in ihnen weckte. Mittags ging ihr Flug nach London. Abends schon würde Virginia wieder am Tisch mit Michael sitzen, seiner etwas umständlichen Art zusehen, mit der er sich ein Brot belegte, und würde seinem stets leicht larmoyanten Tonfall lauschen, mit dem er erzählte, wie sehr er unter ihrer Abwesenheit gelitten und wie allein er sich gefühlt hatte. Sie würde von ihrer Studienreise nach Rom berichten. Es war im Vorfeld nicht leicht gewesen, ihn davon zu überzeugen, dass sie unbedingt allein fliegen wollte. Genau genommen hatte sie ihn überhaupt nicht überzeugt, es war ihm nur nichts anderes übrig gehlieben, als letztlich ihren Willen zu akzeptieren. Kr hatte sie jeden Morgen in ihrem Hotel angerufen und wissen wollen, ob sie sich allein wirklich besser fühlte als mit ihm zusammen. Manchmal war er ihr so auf die Nerven gegangen, dass sie hätte schreien mögen.
    Jetzt, an diesem letzten Morgen, eng an Andrew geschmiegt, ermattet von der Liebe und geborgen im Nachklang ihrer völligen Verschmelzung, dachte sie plötzlich: Es kann so nicht weitergehen. Es ist unwürdig und schrecklich.
    Sie richtete sich auf.
    »Andrew, bitte, es kann nicht immer so bleiben wie jetzt«, sagte sie.
    Andrew öffnete die Augen, sah sie an. »Was meinst du?«
    »Na, alles. Die Lügen. Die Heimlichkeiten. Unser häufiges Getrenntsein. Unsere Liebesstunden in irgendwelchen Hotels. Das hatte sicher anfangs seinen Reiz, aber inzwischen finde ich es nur noch … belastend. Und irgendwie … häßlich.«
    Er seufzte, setzte sich ebenfalls auf. Mit der rechten Hand strich er sich über die Augen. Er sah plötzlich sehr müde aus.
    Virginia spürte eine leise Beklemmung in ihrer Brust, ähnlich dem Gefühl, das sie auf der

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