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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Gepäckstücke, eine ältere Dame mühte sich mit einem Stadtplan ab, dessen Faltsystem sie offensichtlich nicht durchschaute. Ein Bahnbediensteter schob herumstehende Gepäckwagen ineinander. Nirgendwo eine Spur von Virginia.
    Frederic lief jetzt schneller, versuchte, durch die Fenster in die Abteile hineinzusehen. War sie eingeschlafen und hatte die Ankunft überhaupt nicht mitbekommen? Hatte sie sich derart intensiv in ein Buch vertieft, dass die Welt um sie herum versunken war?
    Was war geschehen?
    Wo war Virginia?
    Ankunft 16.15 Uhr, hatte sie ihm gesagt, er war sich völlig sicher. King's Cross, auch da war er sich sicher. Er hatte es auf einem Zettel notiert und es sich von ihr auch noch einmal bestätigen lassen.
    Die Furcht, die sich tief in seinem Innern zu regen begann, war nicht neu, wurde keineswegs erst in diesem Moment geboren. Er hatte sie die ganze Zeit über in sich getragen, seit Virginia ihm versprochen hatte, nach London zu kommen. Er kannte seine Frau nur zu gut. Ihm war klar, wie nervös ihre Zusage sie gemacht haben musste. Wahrscheinlich hatte sie in den letzten Nächten kaum geschlafen, hatte sicher auch immer wieder erwogen, in letzter Sekunde noch einen Rückzieher zu machen. Sie hatte nichts davon gesagt, aber er wusste, dass sie von ihren Ängsten gequält worden war.
    Konnte es sein, dass sie in King's Lynn gar nicht eingestiegen war?
    Auf jeden Fall war sie ganz offensichtlich in London nicht ausgestiegen. Inzwischen gab es keinen Zweifel mehr, dass sie sich nirgendwo auf dem Bahnsteig befand. Er konnte sie nicht verpasst haben, es war unmöglich, dass sie unbemerkt an ihm vorübergegangen war. Der Zug war längst weitergefahren. Schon sammelten sich Reisende, die auf den nächsten Zug warteten.
    Er versuchte es immer wieder auf ihrem Handy, geriet aber unweigerlich an die Mailbox. Schließlich hinterließ er eine Nachricht. »Virginia, ich bin es, Frederic. Ich stehe hier am King's-Cross-Bahnhof. Es ist zwanzig vor fünf. Wo steckst du? Melde dich doch bitte!«
    Wenn sie tatsächlich irgendwo auf dem Bahnhof herumirrte und ihn nicht fand, würde sie ihn anrufen. Zumindest ihr eigenes Handy einschalten. Es war absurd. Sie war nicht da.
    Nach einigem Zögern wählte er schließlich die Nummer von Ferndale. Zögernd deshalb, weil er größte Angst hatte, sie könnte sich dort tatsächlich melden, Das hieße, dass sie ihre Pläne geändert halte, dass sie nicht kommen würde.
    Aber auch dort sprang nach sechsmaligem Klingeln nur der Anrufbeantworter an. Frederic sprach nicht auf das Band. Er wollte ihr nicht unterstellen, zu Hause geblieben zu sein. Er ging in das Bistro zurück, bestellte noch einen Kaffee. Von seinem Stehtischchen aus hatte er einen recht guten Überblick über die Bahnhofshalle, und noch immer musterte er mit scharfen Augen die vorüberströmenden Menschen. Obwohl er nicht mehr wirklich glaubte, dass sie überhaupt da war. Sie hätte ihn längst über ihr Handy zu orten gesucht. Es sei denn, sie hätte ihr Gerät aus Versehen daheim gelassen. Was er für unwahrscheinlich hielt, da es ihre Kontaktmöglichkeit zu Kim darstellte. Außerdem glaubte er nicht an so viele Zufälle. Erst rannten sie aneinander vorbei, was schon kaum möglich gewesen wäre, dann stellte sich auch noch heraus, dass sie ihr Telefon liegen gelassen hatte …
    Nein. Es war viel einfacher: Sie war daheim geblieben und meldete sich nun nicht, weil sie sich denken konnte, dass es ihr Mann war, der anrief.
    Irgendeine Kraft in ihm hoffte noch immer. Es ging ihm dabei schon gar nicht mehr um das Abendessen am morgigen Tag. Sondern um seine persönliche Enttäuschung. Es schmerzte so sehr, von ihr im Stich gelassen zu werden.
    Nach dem Kaffee suchte er eine Fahrplananzeige auf und fand heraus, dass der nächste Zug aus King's Lynn um 17.50 Uhr eintraf. Ohne sich große Hoffnungen zu machen, beschloss er, diesen noch abzuwarten. Es war inzwischen kurz nach fünf.
    Um halb sechs hielt er es nicht mehr aus und rief bei den Walkers an. Er hatte diese Möglichkeit lange vor sich hergeschoben, weil er sich vor dem Verwalterehepaar nicht die Blöße geben wollte, von seiner Frau auf diese Weise versetzt worden zu sein. Aber Grace und Jack waren seine einzige Chance auf Klärung, und schließlich siegte seine Nervosität über seinen Stolz.
    Jack meldete sich nach dem dritten Klingeln. »Ferndale House«, sagte er wie immer anstelle seines Namens. Frederic wusste, dass er sehr stolz war, auf einem so alten

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