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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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hatte, weiterhin in ihrem Haus zu wohnen, und ob man Grace auf die Möglichkeit hinweisen musste, dass sie drüben auf einen fremden Mann stoßen würde, aber er entschied sich, nichts zu sagen. Offenbar hatten die Walkers von der Anwesenheit des Deutschen bislang nichts bemerkt, und auch Kim hatte ihn noch nicht erwähnt; er empfand es als angenehmer, wenn sie auch weiterhin nichts wussten.
    »Okay, Grace, das ist nett. Sie rufen mich dann zurück, ja? Ich bin auf meinem Handy erreichbar.« Er ließ sich noch einmal Kim geben, verabschiedete sich von ihr, beendete dann das Gespräch. Es war fast Viertel vor sechs. Noch knapp zehn Minuten bis der nächste Zug eintraf. Weshalb nur glaubte er nicht, dass Virginia darin sein würde?
    Und die nächste Frage war: Wenn sie tatsächlich nicht auftauchte und wenn auch Grace sie daheim nicht antraf – was sollte er dann tun? Die Polizei verständigen?
    Der Zug erreichte den Bahnhof mit zwanzigminütiger Verspätung. Noch während Frederic am Bahnsteig wartete und alle Reisenden scharf musterte, rief Grace zurück.
    »Niemand da, Sir«, berichtete sie, »und das Auto ist auch weg. Sieht so aus, als wäre Mrs. Quentin wirklich abgereist. Es war alles gut verschlossen, Fenster und Türen, auch die Läden hat sie zugemacht.«
    Er empfand eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Besorgnis. Erleichterung, weil Virginia offenbar tatsächlich abgereist war, weil sie loyal zu ihrem Versprechen gestanden hatte – oder zumindest hatte stehen wollen. Denn irgendetwas war schief gegangen. Sie kam auch mit diesem Zug nicht. Sie meldete sich nicht. Sie war spurlos verschwunden. Die Besorgnis begann seine Erleichterung zu verdrängen.
    Was war passiert?
    Und welche Rolle, dachte er plötzlich, spielt Nathan Moor bei Virginias Verschwinden?
     
    Um neun Uhr abends hielt er es nicht mehr aus. Er hatte noch einen dritten Zug aus King's Lynn abgewartet und war schließlich direkt vom Bahnhof in seine Wohnung zurückgekehrt, in der vagen Hoffnung, Virginia könnte auf irgendwelchen abenteuerlichen Umwegen inzwischen dort gelandet sein, aber natürlich war alles still und leer. Auf dem Tisch am Fenster standen zwei Sektgläser, im Kühlschrank befand sich der Champagner, den er mit ihr zur Begrüßung hatte trinken wollen. Sogar neue weiße Kerzen hatte er in alle Kerzenhalter im Zimmer gesteckt, ein Feuerzeug bereitgelegt. Romantischer Trottel, der er war. Er hätte wissen müssen, dass es nicht klappen würde.
    Jetzt werde nicht wütend auf sie, rief er sich zwischendurch zur Ordnung, du hast keine Ahnung, in welcher Klemme Virginia womöglich steckt!
    Wieder und wieder rief er ihr Handy an, obwohl ihm inzwischen klar war, dass sie die Anrufe nicht annehmen wollte oder konnte. Aber irgendetwas musste er tun, und im Moment fiel ihm nichts anderes ein. Noch zweimal sprach er auf die Mailbox. Es war die einzige, winzig kleine Möglichkeit, so etwas wie einen Kontakt zu ihr herzustellen.
    Sollte er zur Polizei gehen? Nach allem, was er wusste, musste eine bestimmte Zeit seit dem Verschwinden einer Person vergangen sein, ehe die Polizei etwas unternahm. Vierundzwanzig Stunden? Oder mehr? Er wusste es nicht genau. Aber Virginia war knapp fünf Stunden abgängig, wenn man die Ankunft des Zuges aus King's Lynn als Ausgangspunkt nahm. Bestimmt würde sich noch kein Beamter an diesem Abend in Bewegung setzen.
    Schließlich wurde ihm klar, dass er verrückt werden würde, wenn er bis zum nächsten Morgen nur in der Wohnung auf- und ablief.
    Natürlich konnte es sinnvoll sein, in London zu warten, aber aus irgendeinem Grund glaubte er nicht, dass Virginia überhaupt bis London gekommen war. Wo war sie zuletzt gesehen worden? In Ferndale, am Mittag, als sie Kim bei den Walkers ablieferte. Und genau dort wollte er hin. Denn da war sie immerhin neun Stunden zuvor definitiv gewesen. Alles andere, was man über ihren Aufenthaltsort mutmaßen konnte, war reine Spekulation.
    Er rief bei den Walkers an, erreichte wieder Jack und teilte ihm mit, dass er sich auf den Weg nach Norfolk machte.
    »Soll ich Sie nicht morgen früh abholen, Sir?«, fragte Jack. »Sie haben schließlich kein Auto, und …«
    »Nein. So lange möchte ich nicht warten. Ich nehme einen Leihwagen. Sollte sich Mrs. Quentin bei Ihnen melden, dann sagen Sie ihr bitte, dass ich irgendwann um Mitternacht herum zu Hause eintreffen werde.«
    »Alles klar, Sir«, sagte Jack.
    Frederic hatte beschlossen, mit der U-Bahn bis zum Flughafen Stansted

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