Das Echo der Vergangenheit
Wenn er sie die ganze Zeit beobachtet hatte, dann war es kein Wunder, dass sie dieses merkwürdige Gefühl gehabt hatte. Aber warum war er nicht zu ihr gekommen?
Wollte er sie lieber leiden sehen, so wie er andere hatte leiden lassen? Er hatte Carly erzählt, sie hätte Selbstmord begangen, aber er hatte gewusst, dass sie auf dem mühsamen Weg zurück zu einer gewissen Normalität war. Hatte er gehofft, sie würde es schaffen? Oder hatte ihr Überlegenskampf ihn gefreut? Das war zu bizarr, um es in Erwägung zu ziehen. Ihre Beziehung hatte eine ungesunde Tiefe erreicht, aber sie hätte nie geahnt …
Matts Stimme durchbrach ihre Gedanken. »Ich arbeite in Sonoma für die Kinderfürsorge. Sofie ist qualifizierte Pflegeperson.«
»In Sonoma vielleicht. Aber ich schicke das Kind nicht nach Kalifornien. Sie ist eine Zeugin.«
Sofie blickte auf. »Ich lebe in der Bronx. Ich war während einer beruflichen Auszeit in Sonoma, aber mein erster Wohnsitz ist nicht weit von hier.« Sie nannte die Anschrift ihrer Wohnung in Belmont. Obwohl sie nicht vorgehabt hatte, auf Dauer zurückzukehren, musste Matt verstehen, dass Carly jetzt am wichtigsten für sie war.
Er sagte: »Ich lasse das Jugendamt in Sonoma Sofies Unterlagen faxen. Und ich kann mich persönlich für sie verbürgen.«
Er musste es verstanden haben, sonst hätte er ihr nicht den Weg geebnet. Er war ein beeindruckender Anwalt, aber Peggy Mantero schwankte noch.
»Carly braucht Personenschutz ...«
»Die eine ansässige Pflegefamilie ihr vielleicht nicht bieten kann.«
»Und Sie können es?«
Matt nahm die umsichtige Haltung ein, die Sofie schon öfter an ihm bemerkt hatte. »Ich verdiene damit meinen Lebensunterhalt.«
Und zwar ausgezeichnet. Gott musste ihre Begegnung mit Matt Hammond für diesen Augenblick eingefädelt haben. Ihr Herz war voll Dankbarkeit. Hoffentlich war ihm bewusst, wie viel ihr das bedeutete.
Die Beamtin blickte von Matt zu ihr und dann zu Carly. Vielleicht war es der flehende Blick des Mädchens, der die Sache entschied. »Wir fahren auf der Wache vorbei und holen dieses Fax. Wenn alles in Ordnung ist, können Sie sie mitnehmen, bis wir wissen, wie es ihrer Großmutter geht.«
Sie gaben der Polizistin Sofies Handynummer und eine Visitenkarte von Matt. Sofie stand auf und zog Carly an sich. »Soll ich mit ihr ins Krankenhaus fahren, um Grandma Beth zu besuchen?«
»Warten Sie besser noch. Wir sagen Ihnen Bescheid.«
Draußen übergab Sofie den Autoschlüssel an Matt und sagte: »Könntest du vielleicht fahren?«
»Du musst mir aber sagen, wohin.«
»Natürlich.« Sie setzte sich neben Carly auf den Rücksitz, einen Arm um ihre Schultern gelegt. Konnte dieses wunderbare Mädchen tatsächlich das kostbare Kind sein, das sie verloren hatte? Wenn sie doch nur nicht unter so herzzerreißenden Umständen zu ihr zurückgekommen wäre. Aber vielleicht war dies die einzige Chance dafür gewesen.
Die Polizei hatte die Fotos behalten und Sofie hoffte, dass sie sie nie wieder sehen musste. Wenn Erics Störungen so extrem geworden waren, musste er aufgehalten werden. Aber das bedeutete nicht, dass sie ihn leiden sehen wollte. Und sie war sich sicher, dass Carly das auch nicht wollte. Sie gab Carly einen Kuss aufs Haar. »Bist du in Ordnung?«
Carly schüttelte den Kopf und ihr Gesicht zeigte deutlich, wie elend sie sich fühlte. »Ich wünschte, ich hätte nie etwas gesehen. Ich wünschte, ich wüsste nichts.«
»Er braucht Hilfe, Carly. Wenn du es uns nicht erzählt hättest, wären vielleicht noch andere Menschen verletzt worden.«
Carly schluckte die Tränen hinunter. »Ich wollte nicht, dass er Schwierigkeiten bekommt.«
»Aber er hat sich doch selbst in Schwierigkeiten gebracht.«
Warum hatte er so grausame und sinnlose Dinge getan? Wo war der Mann, den sie beide gekannt und geliebt hatten? War diese Fähigkeit zur Grausamkeit schon immer da gewesen? Oder hatte etwas in ihr, in ihrer Beziehung, es in Schach gehalten?
Als ihre Seelen auseinandergerissen worden waren, hatte sie den Schmerz gegen sich selbst gerichtet. Hatte er ihn an anderen ausgelassen? Oder war das alles Teil einer Zwangsstörung? Konnte es eine Reaktion auf Bedrohungen sein, die er meinte kontrollieren zu müssen?
Sie erinnerte sich daran, wie seine Arme sie umschlossen hatten, während er flüsterte: »Was machst du denn hier draußen?«
»Ich sehe mir nur die Nacht an.«
»Meinst du nicht, dass dich das zu einer Zielscheibe macht?«
Sie hatte sich umgedreht
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