Das Echo der Vergangenheit
zurückgegeben wurde – falls. Matt hatte immer noch seine Zweifel daran.
Ihre Brust zog sich zusammen, als sie an ihn dachte. Er war nur ein Mann, der seine Arbeit machte. Er würde die Dinge für Maria und Diego klären und sich dann einem anderen Fall und anderen Pflegeeltern widmen. Sie kamen aus unterschiedlichen Welten, hatten gegensätzliche Ansichten. Er wusste nicht einmal, dass es Gott gab; sie musste Gott jeden Tag neu vertrauen. Er glaubte nicht an Himmel und Hölle; sie hatte beides erlebt.
Mit einem Seufzer gab sie Nonna das Baby und schlüpfte in den Garten hinaus. Sie hatte für den Kleinen und für Maria gebetet und diese Gebete waren erhört worden. Nun blickte sie dankbar nach oben und trotzdem blieb ein Schmerz zurück.
Die Tür ging auf und Star gesellte sich zu ihr. »So viel Glück auf einmal ist mir ein bisschen viel.«
Der bittere Unterton in ihrer Stimme kam von einem Ort, an den Sofie sich nicht begeben wollte. »Wessen Glück meinst du, Star?«
»Rese.«
»Wegen Lance?«
»Egoistisch und verbittert, ich weiß. Aber sie war immer für mich da, meine verrückte Schwester, meine starke und fähige Freundin. Ich weiß nicht, wer ich ohne sie bin.«
Sofie spürte einen Stich in ihrer Brust. Sie wusste, wie es war, so mit jemandem eins zu sein, dass das eigene Selbst bei dem Verlust zerbrach. »An eurer Freundschaft wird sich nichts ändern.«
Star rieb sich die Arme. »Doch. Das hat es schon. Rese hat sich verändert. Wir haben uns verändert.«
Und Veränderung war schwierig. In den Worten einer alten Frau hatte sie Hoffnung und einen neuen Anfang gefunden, aber es war jeden Tag mühsam, das aufrechtzuerhalten, wenn Gewohnheiten und Gedanken wie Spinnweben an einem klebten.
Star seufzte. »‚Der Jammer macht mich alt.‘«
»Und trotzdem machen wir weiter.«
»Womit?«
»Mit dem, was nicht loslassen will.«
Star blickte in den Nachthimmel hinauf. »Und was, bitte, ist das?«
* * *
Am nächsten Morgen wartete Matt zusammen mit Cassinia vor Marias Zimmer. Lance gesellte sich zu ihnen, und obwohl es keinen Grund gab, warum Sofie hier sein sollte, konnte Matt einen Anflug von Enttäuschung nicht unterdrücken, dass ihr Bruder alleine gekommen war. Der Teddy mit dem Blumenstrauß, den Lance mitgebracht hatte, milderte den antiseptischen Geruch im Krankenzimmer nur wenig, als sie eintraten. Marias Wangen röteten sich, als Lance näher trat, aber es wirkte weniger wie Verliebtheit und mehr wie Ehrfurcht.
» ¿Qué tal, Maria?« Er ließ sie an den Blumen riechen und setzte den Bären dann neben ihr auf den Nachttisch. » ¿Estás bien?«
»Es geht«, erwiderte sie auf Spanisch.
Matt warf Cassinia einen Blick zu. Sie konnten beide der Unterhaltung folgen.
»Schlechter als gestern?« Lance legte den Kopf schief.
»Besser.« Sie hob den Blick. »Gestern habe ich gelogen.«
Matt zog die Augenbrauen hoch, weil er die Worte verstand, aber er war überrascht, als sie lachten. Krankenhaus und Polizei hatten ihm gesagt, dass niemand mit dem Mädchen weiterkam – niemand, so schien es, außer dem Wundermann.
Lance drehte sich halb um. »Das hier ist Matt Hammond, von dem ich dir erzählt habe. Er sorgt dafür, dass es Diego gut geht. Und das ist Cassinia. Sie wird dasselbe für dich tun. ¿Comprendes?«
»Sí.« Sie warf den beiden einen scheuen Blick zu und richtete dann ihre Aufmerksamkeit wieder auf Lance. » ¿Cómo está mi hijo?«
»Bien.«
»Wann kann ich ihn sehen?«
Lance blickte sich um und vergewisserte sich, dass er und Cassinia verstanden hatten, und antwortete dann: »Bald.«
Ihre Frage nach dem Sohn war ein gutes Zeichen, aber Matt hatte Lance geraten, die Sache nicht zu überstürzen. Im Moment brauchten sie Antworten. Detective Brazelton schob sich ins Zimmer. Er war unter Druck, musste Marias Gefährten der Einwanderungsbehörde übergeben, damit diese dann abgeschoben würden, anstatt vor Gericht zu kommen. Man konnte sie nicht mit dem Ort des Diebstahls in Verbindung bringen und man konnte ihnen die Kenntnis darüber, dass die Güter, die sie transportieren sollten, gestohlen waren, nicht beweisen. Eine Anklage wegen Vergewaltigung und Entführung würde die Lage natürlich ändern, aber Maria musste die Art der Behandlung, die Michelle Farrar beschrieben hatte, erst einmal zugeben. Vielleicht würde der »Wundertäter« sie dazu bringen, zu erzählen, was sie wissen mussten.
Lance sagte: »Erzähl mir, was passiert ist, Maria. Warum hast du Diego bei mir
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