Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
er an dem Schlüssel herum, der von seinem Hals hängt.
Meine Knie werden weich und schwach und geben unter mir nach. Unwillkürlich schlage ich mir eine Hand auf die Brust, als wollte ich mein Herz daran hindern, aus dem Leib zu springen. Dabei kann ich die Augen nicht von der Szene abwenden, die ich gehofft hatte, nie erblicken zu müssen.
Dace hält das Schloss in der Hand – und schwenkt den Schlüssel.
Dace sagt sich los von uns – sagt sich los von mir.
Er dreht sich um, da er meine Gegenwart gespürt hat, und sieht mir in die Augen. Ein Blick in mein schmerzerfülltes Gesicht genügt, schon lässt er Schlüssel und Schloss los und ruft meinen Namen – doch ich bin bereits weg.
Habe mich abgewandt.
Ich erhasche einen Blick auf Phyre, die aus der Finsternis zusieht – mit sonderbar glitzernden Augen.
Ich halte auf sie zu. Lita hatte recht, es ist an der Zeit, dass ich sie zur Rede stelle und sie frage, was sie vorhat und was sie will. Kaum bin ich bei ihr angelangt, da hört der Regen auf und wird zu etwas anderem.
Etwas Leichterem.
Trockenerem.
Etwas, das in kleinen, weißen Karos zu meinen Füßen landet.
Ich hebe das Kinn, schließe die Augen und lasse es mir sachte auf die Wangen rieseln.
Mein Herz hebt sich triumphierend, und ich weiß, das habe ich bewirkt. Es ist mein Werk, dass es schneit !
Überall um mich her erklingen begeisterte Rufe, während alles aus dem Club in die Gasse und hinaus auf die Straße stürmt. Horden von Leuten drängeln und schieben sich vorwärts, weil jeder der Erste sein will – jeder will ein Teil des Wunders sein, meines Wunders. Die Stimmen übertönen sich gegenseitig. »Schnee !«, rufen sie. »Es schneit ! Ihr müsst kommen und euch das anschauen !«
Ich drehe mich nach Dace um, da ich seine Reaktion sehen will. Er steht noch immer neben dem Zaun, breitet die Hände weit vor sich aus und heißt die herabfallenden weißen Karos willkommen.
Er hebt das Kinn, und sein Blick verdunkelt sich, während er mir mit Gesten etwas verständlich machen will – mich drängt, das zu sehen, was er sieht.
Es ist ganz und gar nicht das, was wir denken.
Schnee ist frisch. Rein. Nass.
Er schmiert nicht.
Hinterlässt keine dunkelgrauen Spuren, wenn man ihn verreibt.
Das kann nur Asche.
Wir mustern einander, getrennt durch einen Schleier weißer Asche und eine Horde von Leuten, die ein Wunder betrachten wollen, das in Wahrheit ein Fluch ist. Sie tanzen und hüpfen unter dem Schauer und erkennen nicht, dass sie alles komplett missverstanden haben.
Erkennen nicht, dass sie sich im Griff von etwas weitaus Dunklerem, weitaus Bedrohlicherem befinden, als sie sich je hätten ausmalen können.
Die Erde beginnt zu beben, während die Aschekaros zu einem Schwall von Flammen werden, die aus dem Himmel stürzen.
Es ist die leibhaftig gewordene Prophezeiung, genau wie es der Kodex vorhergesagt hat:
Die andere Seite der Mitternachtsstunde läutet als Vorbote dreimal
Seher, Schatten, Sonne – zusammen kommen sie
Sechzehn Winter weiter – dann wird das Licht gelöscht
Und Finsternis steigt auf unter einem von Feuer blutenden Himmel
Überall um mich herum gehen die Freudenschreie in Angstlaute über, während die Menschenmenge nach Zuflucht sucht und sich wieder zurück ins Lokal drängt. Sie zwingen mich, mich zwischen ihnen durchzukämpfen. Mein Wunsch, Phyre zur Rede zu stellen, ist so gut wie vergessen, als ich mich auf die Suche nach meinen Freunden mache. Ich will Xotichl, Lita und Auden warnen, sie auffordern zu fliehen und von hier zu verschwinden.
»Was ist mit dir ?« Xotichl wird bleich, während sie die Finger unter meinen Ärmel schiebt, da sie nur zu gut versteht, was das bedeutet.
»Ich werde das stoppen. Beheben. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«
Ich reiße mich aus ihrem Griff los und höre noch, wie sie mir nachruft, doch ich kann die Worte nicht mehr ausmachen, während ich auf das Portal zustürme.
Dreiundvierzig
Dace
W a s hast du mit ihr gemacht ?« Ich packe Phyre an den Schultern und verlange eine Antwort. Als ich Daire zuletzt gesehen habe, stand sie direkt vor ihr, und jetzt ist sie verschwunden.
Phyre lächelt, und ihr Blick ist verhangen und schwer. »Das war ich nicht. Ich schwör’s«, sagt sie, wobei ihre Stimme einen so seltsamen Tonfall annimmt, dass ich mich frage, wie ich die Worte interpretieren soll.
»Wohin ist sie gegangen ?« Meine Stimme klingt hektisch, entschlossen. Bestimmt spielt sie irgendeine zwielichtige
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