Das Echo dunkler Tage
sofort die Treppe hoch und schnitt das Seil durch. Zu dem Zeitpunkt habe Alfredo noch mit den Füßen gezappelt. Er wählte den Notruf und fuhr mit dem Krankenwagen mit. Der Mann sitzt im allgemeinen Wartebereich, falls Sie ihn sprechen wollen.«
Amaia seufzte.
»Sonst noch was?«
»Ja, dieser Freund hat ausgesagt, dass es Alfredo schon seit Tagen schlecht ging. Warum, wusste er nicht genau, aber er vermutet, dass seine Frau …« Er sah Amaia entschuldigend an, »dass Ihre Schwester ihn verlassen hat.«
»Das stimmt«, bestätigte sie.
»Dann könnte das der Grund gewesen sein. Er hat einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
Zabalza hatte eine Plastiktüte in der Hand, in der ein zerknitterter feuchter Zettel war.
»Den hat er in der Hand gehabt, die Rettungssanitäter haben ihn ihm abgenommen. Die Feuchtigkeit, das sind wahrscheinlich Tränen und Rotz. Auf dem Zettel stand: ›Ich liebe dich, Anne, ich werde dich immer lieben.‹« Amaia sah zu Iriarte, dann wieder zu Zabalza.
»Zabalza, meine Schwester heißt Ros, Rosaura.«
»Oh!«, stammelte er, »Entschuldigung! Ich …«
»Bringen Sie diesen Freund her!«, befahl Iriarte mit vorwurfsvollem Blick. Als Zabalza den Raum verlassen hatte, wandte er sich an Amaia.
»Sie dürfen es ihm nicht übel nehmen, er wusste es nicht. Wegen dieser Nachricht will der Comisario uns sprechen.«
Wenige Minuten später kam Zabalza zurück, mit einem Mann Mitte dreißig, schlank, dunkelhaarig, knochig. Die Jeans, die er trug, waren ihm zu groß, und die schwarze Fleecejacke ließ ihn noch dünner erscheinen. Trotz des schrecklichen Vorfalls glänzten seine Augen zufrieden. Offensichtlich genoss er es, im Mittelpunkt zu stehen.
»Der Herr hier heißt Angel Ostolaza. Und das sind Inspector Salazar und Inspector Iriarte.«
Als Amaia Ostolaza die Hand schüttelte, spürte sie, dass er leicht zitterte. Der Mann schien nur allzu bereit, die ganze Geschichte noch einmal bis ins kleinste Detail zu erzählen, aber Amaia lenkte das Verhör in eine andere Richtung.
»Würden Sie sagen, dass Freddy und Sie enge Freunde sind?«
»Wir kennen uns von klein auf, sind zusammen zur Schule gegangen, sowohl Grundschule als auch weiterführende Schule, bis er abgegangen ist. Außerdem gehörten wir zur gleichen Clique.«
»Aber sind Sie auch eng genug befreundet, dass er Ihnen, sagen wir, auch private Dinge anvertrauen würde?«
»Na ja. Ich weiß nicht, vermutlich schon.«
»Kannten Sie Anne Arbizu?«
»Jeder kannte sie, Elizondo ist ein Dorf«, sagte er, als wäre damit alles erklärt. »Anne fiel auf, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er grinste die beiden Männer kumpelhaft an, erhielt aber keine Reaktion.
»Unterhielt Freddy irgendeine Art von Beziehung zu Anne Arbizu?«
Offenbar war ihm bewusst, dass seine Antwort der Unterredung eine entscheidende Wendung geben konnte.
»Nein, wie kommen Sie darauf?«, erwiderte er entrüstet.
»Hat er Ihnen gegenüber mal erwähnt, dass er sie attraktiv und begehrenswert fand?«
»Worauf wollen Sie hinaus? Sie war ein hübsches Ding, ja, und vielleicht fiel auch die eine oder andere Bemerkung, Sie wissen ja, wie wir Männer sind.« Wieder suchte er umsonst bei Zabalza und Iriarte Unterstützung. »Von wegen, dass sie für ihr Alter ziemlich gut entwickelt war, solche Sachen eben. Aber ich weiß nicht mehr, ob Freddy das gesagt hat oder jemand anders.«
»Wer soll es dann gesagt haben?«, fragte Amaia unerbittlich nach.
»Weiß ich nicht, ehrlich.«
»Gut, Sie können jetzt gehen. Könnte aber sein, dass wir Ihre Hilfe noch mal benötigen.«
Er schien überrascht. Traurig sah er seine Hände an, als wüsste er nicht, was er mit ihnen anfangen sollte. Schließlich steckte er sie tief in seine Hosentaschen und verließ wortlos den Raum.
Kurz darauf trat der Arzt ein, er wirkte sichtlich gereizt und sah alle Anwesenden herablassend an. Nachdem man sich gegenseitig vorgestellt hatte, wandte er sich an Zabalza und Iriarte, Amaia ignorierte er völlig.
»Alfredo Belarrain hat eine schwere Rückenmarksverletzung davongetragen, außerdem ist seine Luftröhre angebrochen. Ist Ihnen klar, was das bedeutet?« Er sah erst Zabalza, dann Iriarte an. »Es bedeutet, dass mir schleierhaft ist, wie er das überhaupt überleben konnte, viel hat jedenfalls nicht gefehlt. Am meisten Sorgen macht uns die Rückenmarksverletzung. Wir glauben, dass mit entsprechenden Rehabilitationsmaßnahmen einiges an Beweglichkeit wiederhergestellt werden kann, aber dass
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