Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
Vom Netzwerk:
Hause?«
    »Nein.«
    Ihre Stimme war kaum hörbar.
    »Wo warst du zwischen eins und zwei?«
    »Was soll das?«, fragte Ros. Ihre Stimme war wieder lauter geworden.
    »Ich muss dir diese Fragen stellen«, erwiderte Amaia ungerührt.
    »Amaia, du wirst doch wohl nicht glauben, dass …«
    Sie ließ den Satz unvollendet.
    »Reine Routine, Ros, und jetzt beantworte mir die Frage.«
    »Um eins habe ich Pause gemacht und wie jeden Tag in einer Gaststätte in Lekaroz gegessen. Anschließend habe ich noch mit dem Wirt einen Kaffee getrunken. Um halb drei war ich wieder zurück bei der Arbeit, gegangen bin ich um fünf.«
    »So, und jetzt frage ich dich noch mal«, sagte Amaia, diesmal sanfter. »Sei bitte ehrlich, Ros! Wusstest du, mit wem dein Mann ein Verhältnis hatte? Du hast es bereits abgestritten, ich weiß, aber vielleicht hat ja jemand eine Andeutung gemacht.«
    Ros schwieg, senkte den Blick und starrte auf ihre Hände, mit denen sie ein Papiertaschentuch verdrehte.
    »Ros, ich bitte dich, sag mir die Wahrheit, sonst kann ich dir nicht helfen.«
    Ros begann still zu weinen. Dicke Tränen rollten ihr übers Gesicht, und sie lächelte gequält. Amaia spürte, wie der Boden unter ihren Füßen wankte. Sie beugte sich vor und umarmte ihre Schwester.
    »Sag’s mir. Bitte!«, flüsterte sie ihr ins Ohr. »Man hat dich gesehen, wie du mit einer Frau gestritten hast.«
    Ros riss sich aus Amaias Armen und setzte sich ans Feuer.
    »Sie ist eine Belagile, eine Hexe«, murmelte sie verstört.
    Es war schon das zweite Mal an diesem Tag, dass Amaia das Wort Belagile in Zusammenhang mit Anne hörte.
    »Worüber habt ihr gesprochen?«
    »Wir haben nicht miteinander gesprochen.«
    »Was hat sie dir gesagt?«
    »Nichts.«
    »Nichts? Montes, erzählen Sie, was Sie gesehen haben«, sagte sie. Der Inspector, der bis dahin schweigend und mit grimmigem Gesicht dagesessen hatte, stand auf, als müsste er vor Gericht aussagen. Er strich sein Jackett glatt und fuhr sich mit der Hand durch die pomadisierten Haare.
    »Gestern Abend ging ich am Fluss spazieren, als ich am anderen Ufer, auf der Höhe der Baskischschule, Rosaura und eine andere Frau sah. Was sie gesagt haben, konnte ich nicht verstehen, aber die Frau hat so laut gelacht, dass sogar ich es hören konnte.«
    »Mehr war auch nicht«, sagte Ros mit angewidertem Gesicht. »Gestern Abend musste ich mal raus, weil ich so aufgewühlt war, also bin ich ein bisschen den Fluss entlanggegangen. Da kam mir Anne Arbizu entgegen. Erst habe ich sie nicht erkannt, weil sie eine Kapuze aufhatte, aber als sie an mir vorbeiging, hat sie mir in die Augen geschaut. Ich kannte sie zwar vom Sehen, hatte aber noch nie mit ihr gesprochen. Ich dachte, sie wollte mich was fragen, aber sie blieb einfach nur stehen und fing an zu lachen. Ins Gesicht hat sie mir gelacht.«
    Amaia hörte die überraschten Ausrufe der anderen.
    »Und du? Was hast du gesagt?«
    »Nichts. Wozu auch? Ich habe sofort begriffen, dass sie mich auslacht. Was gab’s da noch zu sagen? Ich fühlte mich erniedrigt, eingeschüchtert. Du hättest mal ihre Augen sehen sollen. So einen Blick habe in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, boshaft wie eine alte Frau, die schon alles erlebt hat.«
    Amaia seufzte laut.
    »Ros, ich will, dass du noch mal ganz genau nachdenkst. Du hast mit einer Frau gesprochen, und Inspector Montes hat dich dabei beobachtet, aber es kann nicht Anne Arbizu gewesen sein. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon seit mehreren Stunden tot.«
    Ros begann zu zittern, als würde sie von einem Wind geschüttelt, der aus allen Richtungen blies. Verblüfft hob sie die Hände.
    »Mit wem hast du gesprochen, Ros? Wer war diese Frau?«
    »Hab ich doch gesagt, es war Anne Arbizu, diese Teufelin.«
    »Verdammt noch mal, jetzt hör endlich auf zu lügen, sonst kann ich dir nicht helfen«, schrie Amaia.
    »Es war aber Anne Arbizu«, schrie Ros zurück, völlig außer sich.
    Amaia schwieg. Dann nickte sie Iriarte zu, damit er das Verhör fortführte.
    »Könnte es sein, dass diese Frau Anne sehr ähnlich sah? Sie haben selbst gesagt, dass Sie noch nie mit ihr gesprochen hatten. Haben Sie sie vielleicht verwechselt? Zumal ihr Gesicht ja von der Kapuze verdeckt war.«
    »Weiß nicht. Kann sein«, räumte Ros ein ohne große Überzeugung ein. Iriarte ging zu ihr und stellte sich vor sie hin.
    »Rosaura Salazar, wir haben einen Durchsuchungsbefehl für Ihr Haus beantragt, der auch Handys und Computer miteinschließt. Und die Kisten, die Sie

Weitere Kostenlose Bücher