Das Echo dunkler Tage
nicht sehr groß. Wenn sie tatsächlich mit dem Kopf irgendwo angestoßen ist, dann wäre sie eher auf den Boden gefallen als in den Trog. Außerdem ist da noch die Blutlache.«
Juan vergrub das Gesicht in den Händen und begann zu weinen.
»Manuel, ich …«
»Wer hat sie gefunden?«
»Meine Frau«, wimmerte er.
Der Arzt atmete tief ein und aus.
»Juan, Rosario nimmt doch ihre Tabletten, oder? Die darf sie unter keinen Umständen absetzen, das ist dir klar, oder?«
»Ja. Worauf willst du hinaus?«
»Juan, wir sind Freunde, und du weißt, dass ich dich sehr schätze. Was ich dir jetzt sage, bleibt unter uns, und ich sage es dir als Freund, nicht als Arzt. Halte das Kind von deiner Frau fern, bring es irgendwo anders unter! Bei dieser Art von Störung kann es vorkommen, dass der Patient seinen ganzen Hass auf jemanden konzentriert, der ihm nahesteht. Im Falle deiner Frau ist das Amaia. Wahrscheinlich war das heute nicht der erste Vorfall. Offenbar wird Rosario wütend, wenn sie Amaia auch nur sieht. Du musst dafür sorgen, dass sie ihr nicht mehr unter die Augen kommt, dann wird sie sich beruhigen. Vor allem aber schuldest du es deiner Tochter. Niemand kann dir garantieren, dass deine Frau sie beim nächsten Mal nicht tatsächlich umbringt. Was heute passiert ist, ist schlimm genug, aber es hätte noch viel schlimmer ausgehen können. Als Arzt müsste ich eigentlich Anzeige erstatten, aber als Arzt weiß ich auch, dass bei Rosario alles unter Kontrolle ist, solange sie ihre Medikamente nimmt. Eine Anzeige würde dir und deiner Familie nur unnötig Schaden zufügen. Aber du musst das Mädchen woanders unterbringen, das verlange ich von dir, als Arzt und als Freund, die Gefahr ist einfach zu groß. Wenn du das nicht tust, sehe ich mich gezwungen, doch Anzeige zu erstatten. Ich hoffe, du verstehst mich.«
Juan lehnte am Tisch und starrte die Blutlache an, die im Licht glänzte wie ein schmutziger Spiegel.
»Kann es nicht doch ein Unfall gewesen sein? Vielleicht hat sich die Kleine verletzt, und Rosario war überfordert, als sie das Blut sah, hat sie auf den Trog gelegt und mir Bescheid gesagt.« Plötzlich schien ihm dieses Argument die Rettung zu sein. »Sie hat mir Bescheid gesagt. Hat das denn nichts zu bedeuten?«
»Sie hat einen Komplizen gesucht. Und ist zu dir gekommen, weil sie dir vertraut. Sie wusste nämlich, dass du ihr glauben würdest, um jeden Preis, dass du die Augen vor der Wahrheit verschließen würdest. Und genau das tust du auch, tust es schon seit Jahren, seit dem Tag, an dem Amaia geboren wurde. Oder muss ich dich daran erinnern, was damals geschah? Juan, mach bitte die Augen auf! Rosario ist eine kranke Frau, sie leidet unter einer psychischen Störung, die man mit Medikamenten in den Griff bekommen kann. Aber nach dem hier musst du zu drastischeren Maßnahmen greifen.«
»Aber …«, wimmerte er.
»Juan, im Waschbecken liegt eine Teigrolle aus Stahl, die jemand kürzlich gereinigt hat. Amaia hat nicht nur einen Schlag auf den oberen Teil des Kopfes erhalten, sondern auch einen über dem rechten Ohr. Außerdem hat sie zwei gebrochene Finger, offensichtlich hat sie versucht, den ersten Schlag abzuwehren.« Zur Verdeutlichung hob er die Hand und verdrehte sie wie den Schirm einer Mütze, den man nach oben klappt. »Sie muss das Bewusstsein verloren haben. Der zweite Schlag hat ihr keine Platzwunde zugefügt, dafür war er zu flach, Amaia hat aber eine riesige Beule abbekommen. Es ist dieser zweite Schlag, der mir am meisten Sorgen macht. Deine Frau hat auf das Kind eingeschlagen, als es bewusstlos war. Ganz offensichtlich wollte deine Frau Amaia töten.«
Juan vergrub wieder den Kopf in seinen Händen und weinte hemmungslos, während sein Freund das Blut aufwischte.
28
A maia wollte gerade aufbrechen, als Zabalza eintrat. Sein Gesicht verhieß nichts Gutes.
»Chefin, wieder ein totes Mädchen.«
Amaia schluckte, bevor sie antwortete. Wieder ein totes Mädchen, hatte Zabalza gesagt, als wären es Sammelbildchen. De r Mörder hatte an Tempo zugelegt. Wenn er so weitermachte, würde er irgendwann ins Schlingern geraten und einen Fehler begehen, und wenn er einen Fehler beging, würden sie ihn schnappen. Aber der Preis dafür war hoch, sehr hoch.
»Wo?«, fragte sie mit fester Stimme.
»Diesmal nicht am Fluss.«
»Wo dann?«, fragte sie ungeduldig.
»In einer verlassenen Berghütte, in der Nähe von Lekaroz.«
Amaia versuchte, die neuen Informationen einzuordnen.
»Dann hat der
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