Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
eine klitzekleine Genugtuung. Schließlich war ihre Begeisterung zwar ein ziemlich gefährliches, aber kein schlechtes Gefühl, das mir - ehrlich gesagt - weit besser gefiel als ihre höfliche Gleichgültigkeit. Indifferent nämlich hatte sie mich schon oft behandelt, und darüber wollte ich mir nun keine Gedanken mehr machen müssen.
Meine sorgfältig eingefädelte Aktion traf anscheinend auf das Wohlwollen der ersten Lady unseres Geheimen Suchtrupps. Als sie ihre Kamra ausgetrunken hatte, war sie ausgesprochen fröhlich. Unsere Hände trafen sich mehrmals im Gebäckteller, und das süße Pfötchen von Melamori gab sich keine Mühe, vor meinen Fingern zu fliehen. Irgendwann wurde ich übermütig und schlug ihr vor, demnächst zusammen einen Spaziergang durch das abendliche Echo zu machen. Die Lady räumte ein, sich noch ein wenig vor mir zu ängstigen, versprach aber, von nun an mutiger zu sein - zwar noch nicht heute und auch noch nicht morgen, aber doch schon bald.
Mir blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis sie mir einen genauen Termin nennen würde. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich ging sehr glücklich nach Hause. Zwei Stunden wälzte ich mich im Bett herum, ohne meine Begeisterung loswerden zu können, doch schließlich schlief ich zum rhythmischen Schnurren von Armstrong und Ella ein, die sich bei meinen Beinen zusammengerollt hatten. Mein Schlaf dauerte allerdings nicht lange.
In der Mittagszeit weckte mich ein schrecklicher Lärm. Schlaftrunken überlegte ich, ob direkt vor meinem Fenster eine öffentliche Hinrichtung stattfand (was in Echo eigentlich undenkbar ist) oder ob ein Wanderzirkus vorbeizog (was öfter vorkam). Weil ich bei diesem Krach unmöglich weiterschlafen konnte, ging ich nachsehen, was auf der Straße los war. Kaum hatte ich die Haustür geöffnet, begriff ich, dass ich verrückt geworden sein musste - oder träumte.
Vor meinem Haus stand ein Orchester aus zwölf Musikern und spielte eine wehmütige Melodie. Vor den Musikanten stand der prächtige Lonely-Lokley und sang mit klarer Stimme ein trauriges Lied über ein Häuschen in der Steppe. Das darf doch nicht wahr sein, dachte ich verwirrt. Nachdem ich das Ende des Liedes abgewartet hatte, überschüttete ich meinen Kollegen mit Fragen.
»Was ist los, Schürf? Warum sind Sie nicht im Dienst? Sündige Magister - was soll das eigentlich?!«
Lonely-Lokley räusperte sich gelassen. »Stimmt was nicht, Max? Hab ich das falsche Lied ausgesucht?«
»Das Lied war fantastisch, aber ... Na gut, gehen wir ins Wohnzimmer, Schürf. Ich bestelle uns Kamra im Gesättigten Skelett, und Sie erklären mir alles. In Ordnung?« Vor Verwirrung und Verlegenheit wäre ich beinahe in Tränen ausgebrochen.
Mit königlicher Geste entließ Lonely-Lokley die Musikanten. Dann folgte mir mein »offizieller Freund« ins Haus. Außer mir vor Erleichterung, ließ ich mich in einen Sessel fallen und meldete mich per Stummer Rede im Gesättigten Skelett. Das ist zwar nicht das beste Lokal in Echo, liegt aber in der Nähe.
»Ich bin nicht im Dienst, sondern habe einen Sorgenfreien Tag«, erklärte Lonely-Lokley ruhig. »Und ich wollte diese Zeit nutzen, meine Schulden zu bezahlen.«
»Welche Schulden?«
»Freundschaftsschulden!«, rief er, und nun war es an ihm, erstaunt aus der Wäsche zu sehen. »Habe ich etwas falsch gemacht? Ich habe doch Erkundigungen eingezogen.«
»Bei wem denn? Und worüber?«
»Sehen Sie, Sir Max, nachdem wir Freunde geworden waren, hatte ich mir überlegt, dass sich die Sitten des Ortes, an dem Sie Ihre Jugend verbrachten, von den hiesigen Sitten unterscheiden könnten. Und ich wollte vermeiden, Ihre Gefühle zufällig und unbewusst zu beleidigen. Also hab ich Sir Melifaro gefragt, weil sein Vater der größte Völkerkundespezialist ist.«
»Ach so! Sir Melifaro!« Langsam begann ich zu begreifen.
»Ja, weil ich in meinen Büchern keine Informationen über diesen Bereich des Lebens Ihrer Landsleute gefunden hatte. Zufällig ist der einzige zuverlässige Wissenschaftler, der zu diesem Thema geforscht hat, Sir Manga Melifaro. Und da wir seinen Sohn kennen ...«
»Den kennen wir allerdings ... Melifaro hat Ihnen also gesagt, dass man mich mit schwermütigen Liedern verwöhnen soll!?«
Ich wusste nicht, ob ich auf ihn sauer sein oder über die ganze Sache lachen sollte. Zum Glück klopfte es. Der Bote vom Gesättigten Skelett kam genau zur rechten Zeit!
»Sir Melifaro hat mir von den Traditionen der Leeren Länder und ein
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