Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari
kochte vor Wut. Wem so was an den Kopf geworfen wird, dem helfen nicht mal Atemübungen!
»Du bist ja hysterisch!«, brüllte ich. »Ein feiges Weib bist du! Nimm dir doch eine Torte und schmeiß sie an die Wand! Du suchst ja nur einen Mann, um deine Launen an ihm abzulassen! Na los, tritt irgendeinem armen Kerl auf die Spur, und er ist hinüber! Ich sag's dir noch mal: Ich hab keinen einzigen Zauberspruch angewandt. Unsere Traumbegegnungen waren ein Wunder, du dumme Göre!«
»Das wagst du mir zu sagen? Nach allem, was du angerichtet hast?«
»Ich hab ganz und gar nichts angerichtet! Ich bin ins Bett gegangen, hab die Augen geschlossen und dich gesehen. Mehr hab ich nicht verbrochen. Aber du brauchst mir nicht zu glauben.«
Als mir klar wurde, wie viel mir mein so furchtbar entgleister Traum bedeutet hatte, tat mir der Magen weh, und eine neue Welle des Zorns überkam mich. Ich spürte, wie sich in meinem Mund ein zäher, giftiger Schleim sammelte. Lady Melamori hatte wirklich Glück, dass ich mich zu beherrschen vermochte. Ich spuckte auf den Boden, atmete tief ein und wandte mich von ihr ab. Sie blieb weiter in ihrer Ecke hocken, und ihre Hände zitterten. Ich war verlegen und traurig zugleich. Mein Leben hatte sich wieder mal als Abfolge unglaublicher Unsinnigkeiten erwiesen.
«Melamori, verzeih mir! Wir haben uns furchtbare Dummheiten an den Kopf geworfen. Nimm bitte mein A-Mobil und fahr nach Hause. Wir sollten uns später weiter unterhalten.«
»Wir haben uns nichts mehr zu sagen«, erklärte Melamori, erhob sich ängstlich und schlich - den Rücken zur Wand - zur Tür. »Aber wenn du nicht gelogen hast, ist es noch schlimmer. Dann hast du nämlich keine Kontrolle darüber, andere im Schlaf herbeizuzitieren. Doch das macht nichts - ich finde schon ein Gegenmittel. Niemand kann mich zu etwas zwingen, kapiert?«
Sie knallte die Tür so heftig zu, dass ein kleiner Schrank von der Wand fiel und sein Innenleben scheppernd auf dem Fußboden verteilte. Ich fasste mir an den Kopf - das alles war zu viel für mich.
Ich stand auf und ging hinunter ins Wohnzimmer. Wir ekligen Vampire haben die Angewohnheit, literweise Kamra zu trinken, nachdem wir ehrenwerte Ladys zu den schrecklichsten Dingen gezwungen haben. Dazu rauchen wir stinkende Glimmstängel aus einer anderen Welt, die uns die Illusion geben, wir seien seelisch einigermaßen im Gleichgewicht. Doch diese Täuschung ist leider nicht von Dauer. Ich war so aufgeregt, dass meine körperliche Schwäche wie weggeblasen war. Adrenalin verleiht Bärenkräfte!
Das Schlimmste war jedoch meine Ungeduld. Wenn in meinem Leben etwas schiefgegangen ist, kann ich einfach nicht den passenden Moment abwarten, um es wieder gutzumachen, sondern handle überstürzt, am besten sofort und natürlich ohne Atemübungen ... Das ist zwar ausgesprochen dumm, aber der Impuls ist stärker als ich. Banges Warten ist für mich der sicherste Weg in den Wahnsinn. Meiner Meinung nach ist es in solchen Situationen das Beste, in die Stadt zu gehen und Unfug zu treiben, denn das gibt einem die Illusion, stärker als die unbarmherzigen Umstände zu sein. Man muss etwas unternehmen - das ist ein Schutzreflex, eine instinktive Körperreaktion. Dazusitzen und zu zittern wie das Kaninchen vor der Schlange - so was hasse ich wirklich.
Also kehrte ich ins Schlafzimmer zurück und zog mich an. Ich war entschlossen, mich wieder an die Arbeit zu machen. Ich gehe zum Haus an der Brücke - irgendeine Arbeit hat Juffin bestimmt für mich, dachte ich. Und morgen früh trinke ich noch ein Schlückchen Kachar-Balsam und fühle mich wie neugeboren.
Auf der Straße fiel mir auf, dass ich nicht den Todesmantel trug, sondern meinen dunkelgrünen Lochimantel, in dem ich vor kurzem in Gesellschaft von Sir Kofa um die Häuser gezogen war. Ich zuckte die Achseln. Zurückzukehren und mich umzuziehen, überstieg meine Kräfte, denn daheim lauerten bittere Erinnerungen, die zu frisch waren, um unversehens erneut auf sie zu stoßen. Aber im falschen Aufzug ins Haus an der Brücke zu gehen, gehörte sich auch nicht - das war mir klar.
Ach, dann spazier ich eben ein wenig durch die Stadt, beruhige mich dabei und schau mal, was sich ergibt, dachte ich und bog in die erstbeste Gasse ein.
Meine Beine trugen mich, wohin sie wollten, und ich mischte mich nicht ein. Orientierungssinn und Gedächtnis weigerten sich, an diesem Spaziergang teilzunehmen. Auch meine Gedanken verschwanden, und das war sehr angenehm. Ehrlich
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