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Das Echo Labyrinth 04 - Volontäre der Ewigkeit

Das Echo Labyrinth 04 - Volontäre der Ewigkeit

Titel: Das Echo Labyrinth 04 - Volontäre der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frei
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leise.
    Inzwischen ähnelte er keiner konkreten Person mehr, doch seine Miene erinnerte vage an viele verschiedene Gesichter.
    »Vielen Dank für deinen Rat«, meinte ich kichernd und war mit meinem selbstbewussten Auftreten sehr zufrieden. »Ich bin zwar sparsam, was Zaubertricks anlangt, aber in deinem Fall will ich nicht geizen.«
    »Mach, was du willst. Du hast mich erschaffen und kannst mir mein Leben auch wieder nehmen. Aber wer einen Doperst erschaffen hat, muss ihn ersetzen - so lautet die Regel.«
    Mein Gegenüber sprach völlig ruhig. Eines meiner beiden Herzen gab mir zu verstehen, dass er die Wahrheit sagte.
    »Na schön, dann werde ich eben ohne Kugelblitze mit dir fertig. Ich bin nicht so blutgierig.«
    Ich atmete tief durch und fühlte mich gleich entspannter. Endlich brauchte ich nicht länger auf Gekicher, verächtliche Blicke und andere schauspielerische Mittel zurückzugreifen. Ich war nun wirklich müde und wollte mich nur noch setzen, die Augen schließen und die Reise nach Echo selig verschlafen.
    Der Doperst verließ die Fahrerkabine und setzte sich mir gegenüber. Auch sein Körper hatte inzwischen keine klaren Konturen mehr, sondern schien dick und dünn zugleich zu sein.
    Die Straßenbahntüren schlossen sich leise, und endlich begann unsere Reise.
    »Fahren wir jetzt nach Echo?«, fragte ich.
    »Wir fahren, wohin du willst«, antwortete der Doperst und zuckte seine eigenartig konturlosen Schultern.
    »Das klingt gut«, sagte ich und seufzte erleichtert. Die Ungewissheiten der letzten Stunden hatten mich ermüdet. »Es fällt dir offenbar leicht, verschiedene Gestalten anzunehmen.«
    »Ja, ich passe mich den Wünschen derer an, die sich in meiner Nähe aufhalten.«
    »Besser gesagt: Du lebst von unseren Ängsten, stimmt's? So jedenfalls hat man mir deine Existenz erklärt.«
    »Stimmt genau.«
    »Leider habe ich die Welt nicht erschaffen«, seufzte ich. »Wenn es nach mir ginge, wäre alles einfacher. Aber ich habe eine Frage: Unsere uneingestandenen Ängste verleihen dir deine Gestalt, nicht wahr?«
    »Richtig«, antwortete der Doperst ungerührt.
    »Und wenn ich dich bäte, mir ähnlich zu werden? Könntest du das?«
    »Kein Problem.« Er klang zwar noch immer gleichgültig, doch seine Augen begannen, leidenschaftlich zu leuchten.
    »Ausgezeichnet. Dann befehle ich dir jetzt, meine Gestalt anzunehmen, in meine alte Heimat zu verschwinden und dort an einem belebten Ort zu sterben - am besten in meiner alten Redaktion. Dort tummeln sich immer viele Leute. Wenn du erst begraben bist, bist du für alle Zeiten frei.«
    »Vielen Dank. Mit einem so großzügigen Angebot habe ich nicht gerechnet. Und ich werde alles genau so tun, wie du es mir befohlen hast - das schwöre ich dir.«
    Im nächsten Moment wurde sein Gesicht dem meinen immer ähnlicher. Ich musste lächeln, als ich feststellte, dass ich eigentlich ganz sympathisch war. Schade nur, dass diese sympathische Kopie meiner selbst gleich sterben würde.
    Mein Doppelgänger sah mich an: »Du weißt nicht, welche Macht die Worte haben, die man zwischen den Welten sagt. Du hast mir die Freiheit geschenkt. Das wird auf dich eine befreiende Wirkung haben und in dir eine Macht erwecken, von der du immer geträumt hast. Leb wohl, Max - und danke für alles.«
    Kaum saß ich auf dem Fahrersitz der Straßenbahn, überkam mich die alte Lust am Rasen. Ich gab kräftig Gas und fuhr immer schneller, ohne zu wissen, wovor ich floh.
    Als der Morgen dämmerte, stellte ich fest, dass meine Tram auf einer breiten Straße stand. An den Ladenschildern erkannte ich, dass ich in einer kleinen Stadt in Deutschland gelandet war. Hier also endeten die Schienen.
    Ich stand auf der Teerstraße und sah meine Tram immer kleiner werden, bis sie vor meinen Augen verschwand. Das tat mir ganz und gar nicht leid.
    Nun konnte ich gehen, wohin ich wollte. Wesen wie ich vermögen jede Ritze zwischen den Welten so problemlos zu öffnen wie eine normale Tür.
    Das Machtgefühl, das ich nun verspürte, berauschte mich, und ich zog los. Zwar gehörte ich ganz und gar nicht in die Welt, in der ich da spazierte, aber ich war davon überzeugt, sie gehöre mir.
    Ich betrat eine nette kleine Kneipe namens Altnürnberg oder Zum Alten Nürnberger. Eine ältere Kellnerin sah mich traurig und doch seltsam hoffnungsvoll an. Ich trank einen Kaffee, verließ das Lokal und fand mich in einer engen Nürnberger Gasse wieder. Vom Fluss wehte eine angenehme Brise heran.
    So funktioniert das also,

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