Das Echo
war.
Sein Lächeln war etwa so herzlich wie das einer Klapperschlange. »Wenn Sie die Story so geschrieben hätten, wie ich es vorgeschlagen habe, hätten wir von den Schauergeschichten profitiert und nicht die verdammte Boulevardpresse. Warum, zum Teufel, mußten Sie die Identität der beiden Kinder, um die es ging, so schamhaft verschweigen?«
»Weil ich ihren Eltern mein Wort gegeben hatte. Und«, fügte Deacon mit Nachdruck hinzu, »weil ich nichts davon halte, die Bilder schwer geschädigter Kinder zu benutzen, um Auflage zu machen.«
»Sie sind trotzdem benutzt worden.«
Ja, dachte Deacon, und es machte ihn immer noch zornig. Er hatte getan, was in seiner Macht stand, um die Anonymität der beiden Familien zu wahren, aber mit Geld hatte man Nachbarn und Freunde zum Reden gebracht. »Daran habe ich keine Schuld«, sagte er.
»Das ist doch nichts als Heuchelei. Sie wußten genau, daß es nur eine Frage der Zeit war, ehe jemand auspacken würde.«
»Ich hätte es wissen müssen«, korrigierte Deacon, durch den Rauch seiner Zigarette blinzelnd. »Ich habe mir Ihre Ansichten zu dem Thema ja weiß Gott lange genug angehört. Sie würden für ein einziges Neuabonnement Ihre eigene Großmutter verkaufen.«
»Sie sind ein undankbarer Scheißer, Mike. Loyalität ist für Sie offensichtlich eine einseitige Angelegenheit. Wissen Sie noch, wie Sie hier angekommen sind und bei mir um einen Job gebettelt haben, als Malcolm Fletter Sie in der ganzen Branche unmöglich gemacht hatte? Sie waren seit zwei Monaten arbeitslos und ganz schön verzweifelt.« Er richtete seinen Finger anklagend auf Deacon. »Wer hat Sie genommen? Wer hat Sie aus Ihrer Bude rausgeholt und dafür gesorgt, daß Sie sich wieder mal über was anderes den Kopf zerbrechen konnten als über Ihr verpfuschtes Leben, hm?«
»Sie.«
»Genau. Dann geben Sie mir jetzt gefälligst was dafür. Ziehen Sie sich was Anständiges an und rücken Sie dieser dicken Konservativen mit der Kamera und ein paar scharfen Fragen auf den Pelz. Pfeffern Sie Ihren Bericht ein bißchen.« Er knallte die Tür hinter sich zu, als er ging.
Deacon war halb versucht, seinem aufgebrachten kleinen Chef nachzulaufen und ihm zu sagen, daß Malcolm Fletter ihm vor nicht einmal zwei Wochen seine Stellung beim Independent wieder angeboten hatte; aber er war zu weichherzig, um es zu tun.
JP war nicht der einzige, der Endzeitahnungen hatte.
Lisa Smith pfiff beiläufig, als Deacon sie um halb acht vor dem Redaktionsgebäude traf. »Du siehst klasse aus. Hat das einen bestimmten Anlaß? Heiratest du vielleicht wieder mal?«
Er nahm sie beim Arm und lotste sie zu seinem Wagen. »Ich würde dir raten, die Klappe zu halten, Smith. Du willst doch bestimmt nicht Salz in offene Wunden streuen. Für so was bist du viel zu nett und rücksichtsvoll.«
Sie war eine hübsche, lebenslustige Vierundzwanzigjährige mit einer Wolke krausen dunklen Haars und einem aufmerksamen Freund. Deacon gierte seit Monaten nach ihr, war aber zu klug, sie es merken zu lassen. Er fürchtete Zurückweisung. Insbesondere fürchtete er zu hören, er sei alt genug, um ihr Vater zu sein. Er war zweiundvierzig und erkannte immer deutlicher, daß er seinen Körper viel zu lange und viel zu rücksichtslos mißhandelt hatte. Wo früher einmal sehnige, stramme Muskeln gewesen waren, kräuselten sich jetzt vom Alkohol aufgedunsene Wellen unter seinem Hosenbund und entgingen der Aufmerksamkeit nur, weil die Bundfalten seiner Hose verbargen, was er früher in hautengen Jeans stolz betont hatte.
»Aber du bist ein ganz besonderer Typ, wenn du ein bißchen was aus dir machst, Deacon«, erklärte sie aufrichtig. »Das Image vom enfant terrible mag ja in den Sechzigern ganz flott gewesen sein, aber in die Neunziger paßt es nicht.«
Er sperrte die Türen auf und wartete, während sie ihre Ausrüstung auf dem Rücksitz verstaute, ehe sie in den Wagen stieg. »Wie geht’s Craig?« fragte er, als er sich neben sie setzte.
Sie zeigte ihm einen Brillantring an ihrem Finger. »Wir heiraten.«
Er ließ den Motor an und fuhr los. »Warum?«
»Weil wir Lust haben.«
»Das ist kein Grund. Ich hätte Lust, zwanzig Frauen in einer Nacht zu vögeln, aber meine geistige Gesundheit ist mir zuviel wert, um es zu tun.«
»Deine geistige Gesundheit würde nicht leiden, Deacon, nur deine Eitelkeit. Du würdest niemals zwanzig Frauen finden, die’s so dringend brauchen.«
Er lachte. »Ich hatte Lust, meine beiden Ehefrauen zu heiraten,
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