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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Taxi.« Sie griff zum Telefon. »Wo leben Sie?«
    »Ich lebe nirgends«, brabbelte er in das cremefarbene Leder. »Ich existiere.«
    »In meinem Haus können Sie jedenfalls nicht existieren.«
    Aber als sie das sagte, hatte er schon das Bewußtsein verloren, und nichts konnte ihn wecken.
     
    Er blinzelte in graues Morgenlicht und sah sich um. Ihm war so kalt, daß er glaubte, er läge im Sterben, aber er war zu lethargisch, um etwas dagegen zu tun. Passivität war angenehm, Aktivität überhaupt nicht. Eine Uhr auf einem Glasbord zeigte ihm, daß es halb acht war. Er wußte, daß er dieses Zimmer kannte, konnte sich aber nicht erinnern, woher und warum er hier war. Er meinte, Stimmen zu hören - in seinem Kopf? -, aber die Kälte betäubte seine Neugier und er schlief wieder ein.
     
    Er träumte, er ertränke in einem tobenden Meer.
    »Aufwachen! Wachen Sie auf, Sie Mistkerl!«
    Ein Schlag traf seine Wange, und er öffnete die Augen. Er lag auf dem Boden, eingerollt wie ein Fötus, und in seiner Nase hatte er den stinkenden Geruch von Verwesung. Bittere Galle stieg ihm erneut in die Kehle. »Verschlinger deines Vaters«, murmelte er, »nun erneuert sich die unsagbare Qual.«
    »Ich dachte, Sie wären tot«, sagte Amanda.
    Einen Moment lang, ehe die Erinnerung wiederkehrte, wußte Deacon nicht, wer sie war. »Ich bin ganz naß«, sagte er, den durchnäßten Kragen seines Hemdes betastend.
    »Ich hab’ Sie mit Wasser übergossen.« Er sah den leeren Krug in ihrer Hand. »Ich stoße und puffe Sie seit zehn Minuten, und Sie rühren sich nicht.« Sie war sehr blaß. »Ich dachte, Sie wären tot«, sagte sie wieder.
    »Vor Toten braucht man keine Angst zu haben«, sagte er, »sie machen höchstens Dreck.« Er richtete sich mühsam auf und drückte sein Gesicht in seine Hände. »Wie spät ist es?«
    »Neun.«
    Sein Magen meldete sich heftig. »Ich brauche eine Toilette.«
    »Gehen Sie rechts. Sie ist am Ende des Flurs.« Sie trat zur Seite, um ihn vorbeizulassen. »Wenn Sie sich übergeben müssen, würden Sie dann bitte hinterher die Schüssel mit der Bürste saubermachen. Meine Gastfreundschaft hat ihre Grenzen.«
    Auf seinem schwankenden Weg durch den Korridor suchte er nach Erklärungen. Guter Gott, wie, zum Teufel, war er hierhergekommen?
     
    Sie hatte die Fenster geöffnet und mit irgendeinem Mittel gesprüht, als er zurückkam. Er sah etwas annehmbarer aus, nachdem er sich das Gesicht gewaschen und seine Kleider gerichtet hatte, aber er zitterte von Kopf bis Fuß, und seine Haut war aschgrau. »Ich kann Ihnen nichts sagen«, krächzte er, an der Tür stehend, »außer daß es mir leid tut.«
    »Was denn?« Sie saß in dem Sessel, in dem sie zuvor gesessen hatte, und Deacon war geblendet von ihrer sprühenden Lebendigkeit und der Glut der Farben. Ihr Haar und ihre Haut schienen zu leuchten, und ihr Kleid fiel in schimmernd gelben Bahnen über ihren Beinen herab und ergoß sich wie Goldregen auf das Herbstlaub des rostfarbenen Teppichs.
    Zuviel Farbe . Sie tat seinen Augen weh, und er drückte mit den Fingerspitzen auf seine Lider. »Ich habe Sie in Verlegenheit gebracht.«
    »Sie haben vielleicht sich selbst in Verlegenheit gebracht, aber mich ganz sicher nicht.«
    So kühl, dachte er. Oder so grausam? Er sehnte sich nach einem freundlichen Wort. »Dann ist es ja gut«, sagte er lahm. »Auf Wiedersehen.«
    »Trinken Sie wenigstens noch Ihren Kaffee, ehe Sie gehen.«
    Er sehnte sich auch nach Entkommen. Das Zimmer roch wieder nach Rosen, und er wollte die parfümierte Luft nicht mit seinem stinkenden Atem und seinem stinkenden Schweiß verseuchen. Was hatte er gestern abend zu ihr gesagt? »Um ehrlich zu sein, ich würde lieber gleich gehen.«
    »Das kann ich mir denken«, versetzte sie mit Nachdruck, »aber tun Sie mir wenigstens den Gefallen und trinken Sie den Kaffee, den ich Ihnen gemacht habe. Das wäre dann das Höflichste, was Sie getan haben, seit Sie mein Haus betreten haben.«
    Er kam ins Zimmer, setzte sich aber nicht. »Es tut mir leid.« Er griff nach der Tasse.
    »Bitte« - sie wies zum Sofa - »machen Sie es sich bequem. Oder möchten Sie lieber noch einmal versuchen, dem antiken Sessel in der Diele den Garaus zu machen?«
    War er gewalttätig geworden? Er lächelte zaghaft. »Es tut mir wirklich leid.«
    »Nun hören Sie schon auf damit.«
    »Was soll ich denn sonst sagen? Ich weiß nicht, was ich hier tue oder warum ich überhaupt hergekommen bin.«
    »Und Sie glauben, ich wüßte

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