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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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warum ich eigentlich hier bin.«
    Terry wich der Frage aus, indem er den Kopf zu seinem Bierglas hinuntersenkte.
    »Es ist ganz einfach -«, begann Deacon.
    »Dann kann Terry es mir doch erklären«, unterbrach Lawrence mit überraschender Bestimmtheit. »Ich habe ein Faible für alles Einfache, Michael, aber Sie haben mich bisher nur in Verwirrung gestürzt. Ich habe starke Zweifel daran, daß Terry der ist, für den er sich ausgibt, und das bedeutet, daß wir beide, Sie und ich, in die wenig beneidenswerte Lage von Begünstigern geraten können, die Terry nach einem Verbrechen, das er irgendwann früher begangen hat, Beistand leisten.«
    Resignation verdüsterte Terrys Gesicht. »Ich hab’ ja gleich gewußt, daß das’ne Schnapsidee war«, sagte er verdrossen zu Deacon. »Erstens versteh’ ich kein beschissenes Wort von dem, was er da redet. Bei Billy war’s genauso. Der hat immer mit Wörtern rumgeschmissen, die keiner von uns gekannt hat. Einmal hab’ ich zu ihm gesagt, er soll gefälligst Englisch reden, verdammt noch mal, und da hat er gelacht, als hätt’ ich ihm gerade den besten Witz der Welt erzählt.« Er richtete seine hellen Augen auf Lawrence. »Alle reiten immer auf den Namen rum«, sagte er heftig, »aber was ist eigentlich so wichtig an so’nem beschissenen Namen? Und was ist so wichtig dran, wie alt einer ist? Hauptsache ist doch, ob sich einer wie’n Kind oder wie’n Erwachsener aufführt. Okay, ich heiß’ vielleicht nicht Terry und ich bin vielleicht nicht achtzehn, aber mir gefällt’s so, weil ich dann mehr Achtung krieg’. Eines Tages werd’ ich mal jemand, und dann werden Leute wie Sie stolz drauf sein, daß sie mich kennen, ganz gleich, wie ich heiß’. Wichtig bin ich« - er tippte sich auf die Brust -, »nicht mein Name.«
    Deacon schob Terry eine Zigarette hin. »Es liegt kein Verbrechen vor, Lawrence«, sagte er sachlich.
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Na, was hab’ ich gesagt?« fragte Terry aggressiv. »Scheißrechtsanwälte! Jetzt behauptet er auch noch, daß ich lüge.«
    Deacon machte eine beschwichtigende Bewegung mit den Händen. »Terry ist vor zwei Jahren mit zwölf aus dem Heim durchgebrannt und will auf keinen Fall wieder dorthin zurück, weil der Leiter ein Pädophiler ist. Deswegen hat er sich vier Jahre älter gemacht und sich einen anderen Namen zugelegt. So einfach ist das.«
    Lawrence schnalzte ungeduldig mit der Zunge, ohne sich von dem wutschnaubenden Terry an seiner Seite beeindrucken zu lassen. »Das nennen Sie einfach, daß ein Kind zwei der wichtigsten Jahre seines Lebens unter schrecklichsten Umständen verbracht hat, ohne Schulbildung und ohne liebevolle elterliche Führung? Ich sollte Sie vielleicht daran erinnern, Michael, daß es gerade einmal fünf Stunden her ist, daß Sie mir erzählt haben, wie gern Sie Vater wären.« Er wies mit magerer, durchsichtiger Hand auf Terry. »Dieser Junge ist kein harmloser Streuner, den man jetzt, wo Sie die Polizei daran gehindert haben, ihm gegenüber ihre Pflicht zu tun, einfach sich selbst überlassen kann. Er braucht die Fürsorge und den Schutz, die eine zivilisierte Gesellschaft -«
    »Ich hab’ Billy gehabt«, unterbrach Terry zornig. »Der hat sich um mich gekümmert.«
    Lawrence sah ihn einen Moment an, dann nahm er die Fotografie, die Deacon ihm gegeben hatte, aus seiner Brieftasche. »Ist das Billy?«
    Terry warf einen Blick auf das Foto und sah weg. »Ja.«
    »Es muß schlimm für dich gewesen sein, ihn zu verlieren.«
    »Nicht besonders.« Er senkte den Kopf. »So scharf war er auch wieder nicht. Die meiste Zeit war er total weggetreten, da hab’ ich mich dann um ihn kümmern müssen.«
    »Aber du hast ihn geliebt?«
    Der Junge ballte wieder die Fäuste. »Wenn Sie jetzt behaupten wollen, daß Billy und ich Schwuchteln waren, kriegen Sie von mir eine rein.«
    »Mein lieber Junge«, sagte Lawrence begütigend, »so etwas ist mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Mir graut bei der Vorstellung dieser Welt, in der du lebst, in der Menschen es nicht wagen, ihre Zuneigung zueinander auszudrücken, weil sie Angst davor haben, was die anderen denken könnten. Es gibt tausend Arten, einen Menschen zu lieben, und nur eine davon ist die sexuelle Liebe. Ich denke, du hast Billy wie einen Vater geliebt, und so, wie du ihn beschreibst, hat er dich wie einen Sohn geliebt. Ist das so beschämend, daß du es leugnen mußt?«
    Terry sagte nichts, und es entstand ein Schweigen. Deacon brach es

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