Das Echo
schließlich, weil es unbehaglich zu werden begann.
»Hört mal, ich weiß nicht, wie’s mit euch ist«, sagte er, »aber ich hab’ eine scheußliche Nacht hinter mir und würde den Tag jetzt gern beschließen. Meine persönliche Meinung ist, daß Terry ein schlaues Bürschchen ist, das es mal weit bringen kann - er hat auf jeden Fall weit mehr im Köpfchen als ich in seinem Alter. In meiner Wohnung gibt’s ein Gästebett, ich hab’, soweit ich sehen kann, ein ziemlich tristes Weihnachten ganz allein vor mir und hätte gegen Gesellschaft nichts einzuwenden. Also was meinst du, Terry? Meine Bude oder die Lagerhalle für die nächsten Tage? Wir beide können uns ein lustiges Leben machen, während Lawrence sich den Kopf über die Zukunft zerbricht.«
»Sie haben doch gesagt, Sie hätten nichts zu essen da«, brummte Terry undankbar.
»Stimmt. Wir nehmen uns heute abend irgendwo was mit, und morgen besorgen wir einen Truthahn.«
»Sie wollen mich doch in Wirklichkeit gar nicht haben. Das ist Ihnen jetzt nur eingefallen, weil Lawrence gemeint hat, Sie würden einen miserablen Vater abgeben.«
»Richtig. Aber es ist mir immerhin eingefallen. Also, was sagst du?« Er blickte auf den gesenkten Kopf. »Jetzt hör mir mal zu, du kleines Ekel, so schlecht bist du doch heute wirklich nicht mit mir gefahren. Ich geb’ zu, daß ich von elterlicher Sorge keine Ahnung habe, aber ein kleines Dankeschön für meine Bemühungen wäre, finde ich, nicht unangebracht.«
Terry lachte plötzlich und hob den Kopf. »Danke, Dad. Sie waren echt gut heute. Wie wär’s, wenn wir uns was beim Inder holen?«
In den blassen Augen des Jungen blitzte ein triumphierendes Leuchten auf, das so schnell wieder erlosch, daß Deacon es nicht bemerkte. Aber Lawrence bemerkte es. Er war älter und erfahrener und hatte darauf gewartet.
Lawrence lehnte Deacons Angebot, ihn nach Hause zu fahren, dankend ab, ließ sich aber die Adresse in Islington geben, für den Fall, daß die Polizei sich bei ihm melden sollte. Er riet Terry, seine Gnadenfrist zu nutzen und darüber nachzudenken, ob eine Rückkehr in die Lagerhalle gut für ihn sei, warnte ihn, daß seine wahren Personalien unweigerlich ans Licht kämen, wenn er vor Gericht gegen Denning aussagen müsse, und meinte, er solle sich überlegen, ob er nicht, bevor man ihn dazu zwinge, freiwillig in ein geregeltes Leben zurückkehren wollte. Dann bat er Terry, ihm ein Taxi zu rufen, und während der Junge am Tresen beim Telefon stand, warnte er Deacon vor Naivität. »Behalten Sie eine gesunde Skepsis bei, Michael. Vergessen Sie nicht, was für ein Leben Terry geführt hat und wie wenig Sie über ihn wissen.«
Deacon lächelte leicht. »Ich hatte Angst, Sie würden mir empfehlen, ihn liebevoll ans Herz zu drücken. Mit gesunder Skepsis kann ich umgehen. Da kenn’ ich mich gut aus.«
»Oh, ich glaube nicht, daß Sie ganz so abgebrüht sind, wie Sie sich einbilden, mein Freund. Sie haben alles, was er Ihnen erzählt hat, geschluckt, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Sie meinen, er lügt?«
Lawrence zuckte die Achseln. »Unser Gespräch war voller Anspielungen auf Homosexualität, und das macht mir Sorge. Sie öffnen einer Beschuldigung versuchter Vergewaltigung Tür und Tor, wenn Sie ihn mit in Ihre Wohnung nehmen. Und dann wird Ihnen nichts andres übrigbleiben, als zu zahlen, was er von Ihnen fordert.«
Deacon runzelte die Stirn. »Kommen Sie, Lawrence, der Junge hat in bezug auf dieses ganze Thema doch den reinsten Verfolgungswahn. Der würde sich niemals auch nur anfassen lassen von mir, wie soll er mich da der Vergewaltigung beschuldigen?«
»Der versuchten Vergewaltigung, mein Junge, und machen Sie sich bitte klar, wie gut sein Verfolgungswahn wirkt. Er hat Sie so eingelullt, daß Sie es für völlig gefahrlos halten, ihn mit nach Hause zu nehmen, was ich, ehrlich gesagt, nur mit großen Vorbehalten tun würde.«
»Warum haben Sie mich dann da reingetrieben?«
Lawrence seufzte. »Das habe ich nicht getan, Michael. Ich habe gehofft, Sie beide davon zu überzeugen, daß Terry wieder in ein Heim gegeben werden sollte.« Er beobachtete den Jungen, während er sprach. Der Barkeeper schob ihm ein Telefonbuch hin, das er anscheinend nicht nehmen wollte. »Sagen Sie mir doch mal, wie Sie reagieren werden, wenn er plötzlich anfängt zu brüllen, sich die Kleider zerreißt und droht, zu einem Ihrer Nachbarn zu laufen und zu erzählen, er sei gefangengehalten und sexuell belästigt
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