Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
Verzögerung festgelegt werden kann.
Josef Stalin 1879 –1953
Moskau
persönliche und geheime botschaft
an den premierminister, herrn w. churchill
Ich habe gegen Ihren Vorschlag nichts einzuwenden, im Namen der vier Mächte eine Erklärung zu veröffentlichen, in der die Niederlage und bedingungslose Kapitulation Deutschlands festgestellt werden, falls Deutschland ohne normal funktionierende Zentralgewalt bleiben sollte.
Der sowjetische Vertreter in der Europäischen Beratungskommission ist angewiesen worden, in die Präambel der Erklärung, deren Entwurf von der britischen Delegation vorgelegt wurde, eine Ergänzung einzufügen,die für die bewaffneten Streitkräfte Deutschlands das Prinzip der bedingungslosen Kapitulation festlegt.
Dwight D. Eisenhower 1890–1969
Reims
An Feldmarschall Montgomery
Lieber Monty,
bei allen unseren Plänen haben wir Einigkeit erzielt über die außerordentliche Bedeutung, unsere Flanke so schnell wie möglich bei Lübeck zu verankern. Ich weiß, daß Sie sich der Wichtigkeit dieser Sache im Sinne des Premierministers voll bewußt sind. In der Einsatzbesprechung heute morgen stelle ich fest, daß die Front um Stettin, wie wir erwartet hatten, zu wanken beginnt. Das unterstreicht erneut die Notwendigkeit von Schnelligkeit. Obwohl mir klar ist, daß Sie jeden Nerv anspannen, um so schnell vorzurücken, wie Sie können, möchte ich, daß Sie mich unverzüglich wissen lassen, ob irgendwelche Schwerfälligkeit auf der Seite des US-Korps, das Ihrem Kommando unterstellt ist, Ihre Pläne einen Tag oder auch nur eine Stunde verzögert. Ich bin hier darüber unterrichtet, daß zusätzliche logistische Unterstützung, die Ihrer Armeegruppe versprochen wurde, voll anläuft. Unser HQ wird durchaus alles tun, was möglich ist, Ihnen zu helfen, die Geschwindigkeit und den Erfolg der Operation sicherzustellen.
Wie immer, (gez.) IKE
*
Wilhelm Pieck 1878–1960
Moskau
Lieber Genosse Chwostow!
Ich übermittle Ihnen eine Abschrift der Liste der Genossen, die nach Moskau zu einem einmonatlichen Kursus berufen werden sollen, um dann für das Land verwendet zu werden. Diese Liste wurde vom Genossen Ulbricht der Kaderabteilung übermittelt.
Wolfgang Leonhard *1921
Moskau
Am 27. April wurden wir noch einmal zu einer kurzen Besprechung zu Ulbricht bestellt.
«Alle bereit, alles fertig?» fragte Ulbricht. Zum erstenmal erlebte ich Ulbricht lächelnd und freundlich.
«Voraussichtlich werden wir am 29. oder 30. April fliegen. Vorher werden wir noch bei Wilhelm eine Abschiedsfeier haben. Nun noch eine praktische Angelegenheit ...» Er öffnete seine Mappe und nahm BündelBanknoten heraus, die unter uns aufgeteilt wurden. «Das sind noch tausend Rubel für jeden, für kleinere Anschaffungen» (Eine Summe, die immerhin den damaligen Monatslohn eines Arbeiters weit übertraf.) Die Geldverteilung war jedoch noch nicht zu Ende.
«Und jetzt erhält jeder von euch noch zweitausend Deutsche Reichsmark für die ersten Ausgaben in Deutschland.»
Wieder erhielten wir gebündelte, neu gedruckte Scheine – diesmal alliierte Besatzungsmark, die von den Amerikanern hergestellt wurde. Wir hatten schon von dem Besatzungsgeld gehört, aber jetzt sahen wir es zum erstenmal.
Nur eines war uns noch unklar: handelte es sich bei unserer bevorstehenden Fahrt um einen kurzen Besuch, eine kurze Kommandierung, oder würde sie «für immer» sein? Schon wollte ich fragen, als ich mich daran erinnerte, daß es gerade jetzt mehr denn je darauf ankam, ein «unparteimäßiges» Verhalten zu vermeiden. Ich fragte nicht, glaubte aber, daß es sich um eine kurze Kommandierung handelte und wir in wenigen Wochen wieder in Moskau sein würden.
Nina Ar alowez-Kowschowa
Moskau
An ihren Freund
Lieber Borenka! Guten Tag!
Ich beglückwünsche Dich zum Feiertag des 1. Mai! Zum ersten Mal in mehreren Jahren spürt man in Moskau so richtig den Feiertag. Es herrscht große Freude, weil Ihr in der Ferne den deutschen Faschisten den Garaus macht. Unsere Truppen haben sich mit denen der Verbündeten vereinigt. Und das Wichtigste ist, daß unsere Rote Armee in Berlin ist!!! Unser sehnlichster Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Unsere Armee hat Berlin eingenommen!! Jetzt feiern wir! Jetzt ist bei uns der Festtag angebrochen!!
Borenka! Gestern ist in Moskau die Verdunkelung aufgehoben worden. Jetzt strahlt Moskau wieder in vollem Licht. Schon den zweiten Abend habe ich die schwarzen Store nicht heruntergelassen. Im Zimmer ist es fein und
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