Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
ab und liefen nach Kristiansand zu unserem Flottillen-Stützpunkt zurück. Eine Besprechung beim Flottillenchef ergab den Beschluß, daß alle anwesendenU-Boote – es waren etwa 20 – ihre Torpedos verfeuern und auf den Meeresgrund schicken sollten. In einem stillen Seitenfjord entfernten wir die Zündköpfe aus unseren Torpedos und ließen alles in den Fluten versinken. Die Flakmunition mußte abgegeben und an der Pier gelagert werden. Alle fahrbereiten U-Bootseinheiten zogen sich in einen stillen Seitenfjord zurück und harrten der weiteren Dinge. Mit unendlicher Niedergeschlagenheit, aber doch auch im Bewußtsein, bis zum letzten Augenblick unsere Pflicht getan zu haben, warteten wir. Etwas konnten wir jetzt auch an uns selbst denken. Soweit noch Lagerbestände vorhanden waren, kleideten wir uns neu in Marineblau ein. Wenn wir uns jetzt schon den Feinden ausliefern mußten, wollten wir es in stolzer Haltung und tadellosem Aussehen tun. Überall setzte ein Putzen und Flicken ein. [...] Seit einem Jahr waren wir ständig im Einsatz gewesen und hatten stets nur das graue U-Bootszeug oder auch das Lederzeug getragen. Jetzt sahen wir uns in der blauen Uniform wieder. Es war die Vorbereitung für eine Parade zum Ableben aus unserem U-Boots- dasein.
Der Adjutant Heinz Priesmeier
Kam akura/Japan
Wir waren auf die Kapitulation vorbereitet und hatten entsprechende Vorsorge getroffen. Dann kam der 8. 5. 45. Das japanische Marineministerium teilte uns offiziell mit, daß es die Beschlagnahme der deutschen U-Boote und Schiffe im Südraum und in Japan angeordnet habe. Alle übrigen Marinebestände wie Lebensmittel, Material und Geldbestände blieben in unserem Besitz. Es verfügte weiterhin, daß alle Marineangehörigen von Kamakura nach Hakone in die Internierung gebracht werden müßten.
Am 8. 5. waren wir noch die einzige Dienststelle innerhalb des gesamten Botschaftsbereichs, die ab Anfang Mai 1945 Funkverbindung mit der Heimat hatte. Auch der deutsche Botschafter bekam über uns die letzten Anweisungen aus der Heimat. Die Japaner internierten uns nach der bedingungslosen Kapitulation in einem Hotel in Hakone.
Bevor wie Kamakura verließen, mußte ich in Uniform mit unserem Dolmetscher im Auftrag meines Chefs bei allen japanischen Dienststellen und Behörden Abschiedsbesuche machen und mich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Außerdem war es meine Aufgabe, den Japanern die bittere Notwendigkeit unserer Kapitulation zu erklären und ihnen für ihren Krieg, der ja weiterging, den Sieg zu wünschen.
Die Japaner bedauerten Deutschlands Schicksal, anerkannten unseren Kampf bis zum letzten und wünschten mir alles Gute. Es war eine seltsameSituation für mich. So hatte ich mir nie einen Kriegsschluß vorgestellt, unter Einhalt diplomatischer Gepflogenheiten.
Der sowjetische Admiral Arseni Golowko
Kolabucht
8. Mai, abends. Es ist sehr schade, daß ich das Tagebuch sehr lückenhaft und in zu gedrängter Form geführt habe. Die vierJahre in ständiger Anspannung sind wie im Fluge vergangen. Erst jetzt, da man zurückblickt, beginnt man zu verstehen, welch weiter Weg zurückgelegt wurde und daß mich diese vier Jahre mindestens zehn bis fünfzehn Jahre gewöhnlichen friedlichen Lebens gekostet haben. Überhaupt machen diese vier Jahre eine ganze Epoche im Leben des Landes aus.
*
Der Panzersoldat H. St. *1925
Kurland
Im schönsten Schlaf wurden wir gestört und uns die Meldung gebracht, daß um 16 Uhr Antreten wäre. Ja, um diese Zeit also stand der gesamte Regimentsstab: Führergruppe, Erkundungszug und Nachrichtenzug. Der Kommandeur ließ zum offenen Viereck herumschwenken und begann seine Ansprache mit folgenden Worten: «An dem heutigen schicksalsschweren Tage ...»
Ich dachte, was ist denn nun kaputt? Und wir alle waren völlig niedergeschlagen, als wir von dem Kapitulationsangebot des Großadmirals Dönitz hörten. Der Kommandeur sagte weiter, seit 14.00 Uhr bestehe Waffenruhe, aber noch sei die Kapitulation nicht vollzogen. Wenn es soweit wäre, gäbe es zwei Möglichkeiten für uns: einmal, daß wir uns gefangengeben und zum Iwan schippen gehen würden; zum anderen, daß wir uns durchschlagen könnten nach Deutschland. Für diese zweite Möglichkeit sei er.
Jeder von uns hing nun seinen Gedanken nach.
Konnte es denn möglich sein, Deutschland hat kapituliert? Wo waren die Jahre der Siege geblieben? Was sollte nun werden? Keiner konnte es fassen. Aber wir müssen uns damit abfinden. Da standen wir nun und
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