Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
Gut zu bringen, das etwa 100 bis 150 Meter entfernt lag. Inzwischen waren auch weitere deutsche Kriegsgefangene erschienen, Offiziere, Wehrmachtsbeamte, Zivilbedienstete der deutschen Wehrmacht mit ihren Frauen und Kindern. Der Kommandoführer der tschechischen Partisanen hetzte jetzt die tschechische Bevölkerung auf uns mit dem Ausruf: «Hier kommen die, die eure Frauen und Mädchen vergewaltigt haben.»
Daraufhin schlugen die Tschechen mit Knüppeln und Steinen auf dieses Häuflein Krieggefangener ein. Viele wurden verletzt. Als wir das Gehöft erreicht hatten, wurden wir nach Geschlechtern getrennt. Wir Männer mußten den Oberkörper freimachen. Es wurde kontrolliert, ob wir die SS-Tätowierung auf dem Oberarm hatten. Einige meiner Mitgefangenen hatten diese Tätowierung und wurden kurzerhand unter einem ehemaligen Pferdeschleppdach von den Tschechen erschossen.
Der Offizier Dieter Wiechmann *1922
bei Karlsbad
In Komotau ging ich zuerst in ein Restaurant in der Stadtmitte und aß auf Reisemarken zu Mittag, alles so, als ob nicht draußen sich die Welt veränderte. Ich nahm Platz am Tisch eines Majors, der mir erzählte, daß er mit seinem PKW (DKW-»Meister-Klasse») auf der Fahrt zum Amerikaner sei und er mich gerne als Begleiter mitnehmen würde. Ich kaufte noch schnell in einem Lebensmittelgeschäft alle meine Reisemarken leer und erhielt außer Brot noch Margarine.
Gegen Abend kamen wir in Karlsbad an, wo wir hörten, daß ab 23 Uhr an allen Fronten Waffenstillstand herrsche. Major von L. hatte in Karlsbad Bekannte, bei denen wir in einer schönen Villa übernachten konnten.Am nächsten Morgen gingen wir in die Stadt, um uns formell aus der Wehrmacht entlassen zu lassen. In einer Baracke war extra eine Dienststelle dazu eingerichtet worden. Überall standen bewaffnete tschechische Zivilisten mit roten Armbinden und roten Blumen am Revers. Sie ließen uns in Ruhe, da die Stadt von bewaffneten deutschen Landsern nur so wimmelte.
Nach der formellen Entlassung aus der Wehrmacht waren wir der Meinung, wenn die Kokarde und Kordel an der Mütze und das Hakenkreuz an der Jacke sowie die Schulterklappen entfernt seien, hätten wir den Status von Zivilisten und würden von den Amerikanern als solche behandelt werden. Wir hofften sogar, zu den Heimatzielen fahren zu können.
Die Frau unseres Gastgebers trennte alle Soldatenmerkmale ab, und wir stiegen als «Zivilisten» wieder in den DKW. Vorher hatte ich dem Hausherrn, der Jäger war, mein Dienstfernglas 10 x50 und meine Pistole 38 geschenkt.
Wir fuhren also dem endlosen Menschenstrom nach in Richtung Westen. Bei Eger wurden auf einmal alle Motorfahrzeuge auf getrennte Wege von den Flüchtlingen zu Fuß verwiesen, anscheinend schon durch die Amerikaner, die man aber nirgends sah.
Wir fuhren also ziemlich alleine auf einem solchen vorgeschriebenen Feldweg, als plötzlich ein US-Panzer vor uns stand. Die Besatzung forderte uns auf, auszusteigen und die Hände hochzunehmen. Das Auto und das Gepäck wurden untersucht, unsere Arme und Hände «überprüft», d.h. um Armbanduhr und Ringe erleichtert. Dann mußten wir ein weißes Taschentuch am Fenster befestigen und konnten weiterfahren.
Nach wenigen Kilometern Feldweg kamen wir auf einen riesigen «Parkplatz», wo lauter deutsche Fahrzeuge abgestellt waren. Auch wir mußten unser Fahrzeug verlassen und uns zu Fuß in ein Sammellager begeben.
Der Hauptmann
Arthur Mrongovius 1905–1992
Krummau
Links und rechts der Fahrstrecke standen amerikanische Posten in ihren olivgrünen Uniformen, ihren Stahlhelm tief in die Stirn gedrückt. Und hinter ihren Reihen waren ihre Jeeps und Panzer aufgefahren. Und so passierte auch die Limousine, in der ich zusammen mit vier russischen Offizieren saß, unbehelligt diese Postenkette. Unserer Kolonne wurde von den Amerikanern befohlen, auf dem Platz zu verharren, bis uns der Ort unserer Internierung zugewiesen worden wäre. Wir konnten daher,hinter der Reihe der amerikanischen Posten stehend, Zeuge davon werden, wie eine der deutschen Einheiten nach der anderen durch das Spalier der Ami-Posten rückte und sich dabei ihrer Waffen entledigen mußte. Noch heute klingt mir das metallische Klirren in den Ohren nach, mit dem die auf einen großen Stapel an ihrer rechten Seite niedergeworfenen Waffen landeten. Noch war diesen deutschen Soldaten der typisch schlürfende Schritt späterer Gefangenenkolonnen nicht eigen, sondern sie zogen trotzigen Hauptes stolz aufgerichtet durch das
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