Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
ich den Motor laufen, dann zog ich den Steuerknüppel ganz zurück und zurrte ihn mit dem Sicherheitsriemen fest. Anschließend stieg ich auf die linke Tragfläche hinaus und machte die Gasdrossel auf. Der Motor brüllte auf, und der Rückwind des Propellers war unglaublich kräftig – für einen kurzen Augenblick; dann blieb der Motor stehen. Mir war der Treibstoff ausgegangen. Was ich vorgehabt hatte, war, den Motor auf Hochtouren laufen und ihn dann durch Überhitzung explodieren zu lassen.
Winkend rief Jerry Smiley mich zu einem Hangar herüber, in dem er Ersatzteile von Nazi-Maschinen entdeckt hatte. Darunter befanden sich BG-Zündkerzen und viele andere amerikanische Produkte. Das Vorhandensein dieser Ersatzteile erfüllt uns mit größter Wut. Wir riefen andere Kriegies herbei, damit sie bezeugen könnten, daß in deutschen Maschinen amerikanische Flugzeugbauteile verwendet wurden.
*
Der Marineadjutant Harry C. Butcher *1902
(Reims)
Heute morgen gegen 1 Uhr 30 wurde ich ans Telephon gerufen. Es war Ruth Briggs, die mir sagte: «Es fängt an!» General Ike sei schon da und ich, als der Treuhänder der Füllfederhalter, solle schleunigst nach dem Hauptquartier kommen.
«Wie könnte der Krieg ohne diese Füllfedern zu Ende gehen?» spottete sie. Ich fand Korporal Street noch in der Küche vor, Geschichten erzählend. In einer Rekordzeit fuhr er mich zur Ecole Professionnelle. Vor dem Haupteingang befand sich ein Wespennest von Korrespondenten, die eifrig darauf warteten, ins Schulhaus eingelassen zu werden. Wenn ich gescheit gewesen wäre, wäre ich hinten in den Hof der Schule gefahren und hätte mich durch die Hintertür hineingeschlichen. Die Korrespondentenwaren von Paris hergefahren in der Hoffnung, daß sie bei dem Akt Zutritt hätten. Ich konnte zwar ihren Wunsch sehr gut verstehen, es war aber nichts zu machen, zudem war ihnen ja in Paris gesagt worden, daß sie nicht zugelassen würden, daher waren auch die meisten nicht gekommen. Auf der Treppe stehend informierte ich sie kurz und versprach ihnen, General Allen zu bitten, sich um sie zu kümmern. Ich fand General Allen, der gerade mit General Bull den von den Vereinigten Stabschefs eingetroffenen Befehl besprach: das Ende des Krieges werde erst an einem späteren Datum gemeinsam von den Regierungen von Washington, Moskau und London verkündet, die Unterzeichnung dürfe also noch nicht bekannt gegeben werden. Ich sagte Allen, daß die Korrespondenten ihn erwarteten, was den geplagten General im Augenblick aber wenig interessierte.
Für mich war es nun höchste Zeit, wenn ich nicht die «Vorstellung» versäumen wollte, und so eilte ich in den Kartenraum, wo die russischen Offiziere, General Spaatz, General Morgan, Admiral Burrough, Luftmarschall Robb und General Spaatz bereits versammelt waren und warteten, General Bull folgte mir.
Beetle kam dann, sah sich die Sitzordnung an und sprach kurz über den «modus procedendi». Er schien gar nicht das eine einsame Mikrophon, das den Wissensdurst der Welt befriedigen sollte, zu bemerken. Obwohl er einen Augenblick in die Filmlampen blinzelte, hatte ich das Gefühl, daß er nun nichts mehr gegen die Berichterstattung unternehmen würde, da die 17 Korrespondenten sich ruhig, aber mit gespitzten Ohren, im Hintergrund hielten.
General Jodl und Admiral v. Friedeburg, die beiden Hauptpersonen, traten, von General Strong und Brigadegeneral Foord geleitet, ein. General Strong legte die Dokumente vor General Smith, ich legte die massiv goldene Füllfeder daneben. Beetle erklärte den Deutschen kurz – Strong übersetzte – die Kapitulationsdokumente seien zur Unterschrift fertig, ob sie bereit und gewillt seien, zu unterzeichnen? Jodl nickte zustimmend. Ich reichte ihm die vergoldete Füllfeder; er hatte zwei Dokumente zu unterschreiben, nachdem er das erste unterschrieben hatte, nahm ich die vergoldete Feder fort und ersetzte sie durch meine – Charlie Daly hatte sie mir in Algier geschenkt; mit dieser unterzeichnete er das zweite Dokument.
Dann unterschrieben die Generäle Smith, Susloparow und Sevez beide Dokumente. Nachdem das geschehen war, stand General Jodl auf, nahm Achtungstellung ein und sagte zu General Smith auf englisch:
«Ich möchte etwas sagen.»
Dann sprach er deutsch weiter:
«Herr General! Durch diese Unterzeichnung ist das deutsche Volk und die deutsche Wehrmacht den Siegern auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. In diesem Krieg, der über fünf Jahre gedauert hat, hat unser Volk mehr
Weitere Kostenlose Bücher