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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Weinen, in den übrigen Räumen Schlafgelegenheiten sauber – für jeden ein Bett – hergerichtet. Der Dolmetscher-Offizier kündigte einen General der Russen an, nach seinem Eintreffen sollte serviert werden. Nach 1/2 Stunde erschien der Oberquartiermeister von Schukow und bat uns Platz zu nehmen; er bäte, ihn selbst zu entschuldigen. Das Essen sei wohl wesentlich bescheidenerals wir gewohnt seien; wir möchten aber vorlieb nehmen. Ich konnte nicht unterlassen, zu antworten, daß wir solchen Luxus und eine so reich gedeckte Tafel nicht gewohnt seien. Er fühlte sich offenbar durch diese Bemerkung sehr geschmeichelt.
    Wir hatten geglaubt, die Beladung der Tafel mit einer Art Sakuska beende diese Henkersmahlzeit. Als wir längst gesättigt waren, begann erst das warme Essen mit Braten usw. Zum Schluß gab es noch gefrorene frische Erdbeeren, die ich zum ersten Mal in meinem Leben vorgesetzt erhalten hatte. Offenbar hat ein Berliner Schlemmer-Restaurant diese Nachttafel geliefert, denn auch die Weine waren deutschen Ursprungs. – Nach dem Essen verließ uns der Dolmetscher-Offizier, der offensichtlich als stellvertretender Gastgeber fungiert hatte. Wir legten uns nieder, nachdem ich auf 6 Uhr das Flugzeug zum Rückflug bestellt hatte.
    Neue Zürcher Zeitung
    Karlshorst, 10. Mai. (Exchange) Während Keitel seine Unterschrift unter die Kapitulationsurkunde setzte, brach sein Adjutant, Oberstleutnant Brehm, in Tränen aus. Keitel, der sich nichts davon anmerken ließ, wie sehr auch er die Tragweite des Aktes verspürt haben muß, wandte sich sofort mit erstaunlicher Härte an Brehm in einem Ton, der deutlich vernommen werden konnte: «Lassen Sie das. Nach dem Krieg können Sie ein Vermögen verdienen, wenn Sie ein Buch verfassen: ‹Mit Keitel im russischen Kriegsgefangenenlager›.»
    Der Schriftsteller Jakow Makarenko
Berlin-Tempelhof
    Über dem riesengroßen Flughafengebäude wehte eine weiße Fahne. Es war ein sonniger Tag. Um zwei Uhr erschienen am Himmel über Berlin drei Douglas-Maschinen. Sie machten eine Begrüßungsrunde und landeten. Mit der ersten Maschine kam der britische Luftmarschall Tedder, mit der zweiten der amerikanische General Spaatz, mit der dritten der französische General De Lattre de Tassigny. Dann landete ein anderes Flugzeug mit Feldmarschall Keitel an Bord. Niemand gab ihm die Hand. Schweigsam trafen sich die Sieger mit den Besiegten, und das ist die Sprache der Geschichte. Sie fuhren nach Karlshorst, um die Kapitulation Deutschlands zu unterschreiben.
    Der sowjetische General
    Georgij Shukow 1896–1974
Berlin-Karlshorst
    Am frühen Morgen des 8. Mai kam Wyschinski mit einem Flugzeug in Berlin an. Er brachte alle zur Kapitulation Deutschlands nötigen Unterlagenmit und informierte mich darüber, wer das Alliierte Oberkommando vertreten sollte.
    Fast zur gleichen Zeit trafen in Berlin Journalisten und Reporter der großen Zeitungen und Zeitschriften der Welt sowie Fotoreporter ein, um über den historischen Augenblick zu berichten, da die Zerschlagung des faschistischen Deutschlands juristisch verankert und der endgültige Zusammenbruch aller faschistischen Pläne, all der ehrgeizigen barbarischen Absichten von seinen Vertretern anerkannt werden würde.
    Gegen Mittag landeten auf dem Flugplatz Tempelhof die Vertreter des Alliierten Oberkommandos, der britische Luftmarschall W. Tedder, der Befehlshaber der amerikanischen Fernfliegerkräfte General Spaatz und der Oberbefehlshaber der französischen Armee General de Lattre de Tassigny [...].
    Vom Flugplatz aus begaben sich unsere Verbündeten nach Karlshorst, wo die bedingungslose Kapitulation des OKW entgegengenommen werden sollte.
    Ebenfalls auf dem Tempelhofer Flugplatz kamen aus Flensburg, von britischen Offizieren bewacht, Generalfeldmarschall Keitel, Generaladmiral von Friedeburg und Generaloberst der Flieger Stumpff an, die von Dönitz bevollmächtigt waren, die bedingungslose Kapitulation zu unterzeichnen.
    In Karlshorst war in dem einstöckigen Kasino der ehemaligen Pionierschule ein Saal für die Unterzeichnung vorbereitet worden.
    Nach einer kurzen Ruhepause fanden sich alle Vertreter des Alliierten Oberkommandos bei mir ein, um die Verfahrensfragen dieses bewegenden Ereignisses zu besprechen.
    Kaum hatten wir den für die Besprechung bestimmten Raum betreten, da strömten auch schon unzählige amerikanische und britische Journalisten herein und überschütteten mich sofort mit Fragen. Im Namen der alliierten Truppen schenkten sie

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