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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Land zu Land, von einer Weltkonvention geregelt; Einheitswährung und konsequenterweise das Gold der ganzen Welt als Gemeinschaftseigentum, genauso die Rohstoffe, sie werden nach den Bedürfnissen der Länder aufgeteilt. Reale und radikale Vernichtung jeglicher Waffen. Kolonien: Die entwickelten werden zu unabhängigen Staaten, die anderen werden unter den Ländern aufgeteilt, die von der Zahl der Bevölkerung her oder aus anderen Gründen am geeignetsten sind, zu kolonisieren und zu zivilisieren.
    Meinungsfreiheit, Pressefreiheit? Ja, vorausgesetzt, daß sie von genauen Grenzen, die klar festgesetzt sind, reguliert und gezügelt werden. Ohne das hätten wir Anarchie und Ausschweifung. Und merken Sie sich, vor allem die Moral muß zu ihrem Recht kommen. Jede Religion hat alle Freiheiten sich zu verbreiten: Wir waren die ersten, die der katholischen Kirche Glanz, Würde, Freiheit und Autorität wiedergegeben haben. Wir wohnen diesem außergewöhnlichen Schauspiel bei: Dieselbe Kirche zieht schwache Feinde starken Freunden vor. Einen Feind zu bekämpfen, der ihr im Grunde keine Angst macht und der ihr Argumente liefert, mit denen man den Glauben wiederbeleben kann, ist zweifellos ein Vorteil.
    *
    Der Wehrmachtsfunker Werner Hütter *1917
bei Berlin
    Wir waren durchgedreht, wir hatten kein Auge zumachen können. Vor allem unser Fahrer war zermürbt – ständig auf überfüllten Straßen hin u. her, kreuz u. quer, ja selbst im Kreise herumzufahren, ständig durch andere Einheiten u. Kolonnen hindurch, das war für den Fahrer eine große Anstrengung.
    Gegen Morgen war erst einmal Sammeln und Verschnaufen. Ein Leutnant fuhr mit unserem Wagen los, um Benzin zu besorgen. Zigaretten wurden ausgegeben. Müde u. zerschlagen warteten wir dann Stunde um Stunde auf die weitere Entwicklung. Neue Einheiten wurden mit Panzerfäusten ausgestattet u. marschierten nach «vorn». Wir hatten uns auch mal kurz diese Waffen erklären lassen. – In entgegengesetzter Richtung kam mit einigen Wagen der Divisions-General vorbei.
    Gegen Mittag ging unsere Reise weiter. Die Kompanie sollte sich in einem Wald, etwa 1 km ostwärts von Radebruck treffen. Die Trupps wurden wieder einsatzfähig gemacht u. erhielten einige Trommeln Kabel. Und es gab Frontkampf-Päckchen: Zusatzverpflegung für Besatzungen von Panzerkampfwagen usw. Wir wuschen uns in einem Pfuhl. Die Sonne kam ein bißchen durch.
    Am Nachmittag erhielten wir den Befehl, nach Hohenfließ-Eggersdorf zu fahren u. dort von der Divisions-Vermittlung zum Ari-Kommandeur eine Verbindung zu bauen. Natürlich sollte es wieder schnell gehen u. wir mußten also gleich beginnen – obwohl es noch nicht feststand, wohin die Vermittlung ziehen würde. Nachdem wir an der Hauptstraße mühsam (mit Straßenübergang) zwei Längen Kabel ausgebaut hatten, kam der erbauliche Befehl, daß wir sie wieder abbauen können! Inzwischenwar nämlich der neue Divisions-Gefechtsstand bezogen u. wir neu angewiesen. Was kam es darauf an, daß wir zwei Stunden umsonst gearbeitet hatten?
    Auf der Hauptstraße herrschte ein gewaltiger Verkehr! Vor allem kamen viele schwere Fahrzeuge u. Panzerwagen durch. Sie fuhren in Richtung Altlandsberg.
    Wir begannen also von neuem u. bauten eine Leitung durch die lang- gestreckte Siedlung vom Südende nach Norden bis zur Hauptstraße, auf der uns dann ein Trupp entgegenkommen sollte.
    Inzwischen war es dunkel geworden – aber es fielen Leuchtschirme, die alles wieder in taghelles Licht verwandelten. Und fast konnte man von einem Bombenhagel sprechen, es wurde gefährlich.
    Schließlich hatten wir unser Kabel ausgebaut – aber von dem anderen Trupp sahen wir nichts. Es begann leicht zu regnen. Wir mußten jetzt auf die Suche nach diesem Trupp gehen. Wir bekamen auch keine Verbindung mit unserem Leutnant. Nun würde er dringend gebraucht, aber er war nicht erreichbar. Unteroffizier N. wurde ungeduldig, denn es sollte doch schnell gehen, diese Leitung durchzubringen.
    Also Karabiner her – und zu Fuß los, mit dem Wagen konnten wir nicht weiterkommen, die Straße war in beiden Richtungen mehr als verstopft! Es herrschte auf ihr ein Befehlen u. Toben ohnegleichen!
    Nachdem wir einige Kilometer marschiert waren, wurde es stiller – und diese Ruhe kam uns verdächtig vor. Von dem anderen Bautrupp hatten wir keine Spur gesehen. Es mußten inzwischen andere Befehle gekommen sein, die uns nicht erreicht hatten.
    Eine Telefonverbindung hatten wir jetzt leider auch nicht – was blieb zu

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