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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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in der Sonne, über uns ein strahlend blauer Himmel. Um uns herum Artillerieeinschläge, Granatwerfer – die letzten Szenen eines schaurigen Dramas. Und doch sprachen wir von völlig anderen Dingen. Er steckte mir eine Blume ins Haar. Dann wurden die Schüsse heftiger, eine Staffel Jabos kreiste über der «Festung Jettingen», in Wetzels Wald gegenüber Artillerieeinschläge.
    Marie Wassiltschikow 1917–1978
Gmunden
    Endlich ein sonniger Tag. Wir versuchten, uns auf der Terrasse ein wenig zu bräunen. Am Nachmittag unternahmen wir eine lange Fahrradtour um den See. Als wir am Ufer saßen, schien es uns plötzlich, als würden die Berge rundum grollen und erzittern. Irgendwo muß ein Luftangriff stattgefunden haben, aber wir konnten nicht ausmachen, wo. Er schien so nah, und doch sahen wir keine Flugzeuge. Auf dem Heimweg hörten wir, daß der Angriff dieses Mal Berchtesgaden gegolten habe, das rund fünfzig Kilometer entfernt liegt. Es hatte nur durch den Widerhall der Berge so nah geklungen. Sita Wrede berichtete uns die Einzelheiten später am Telefon. Sie sprach von Berchtesgaden als dem «Fels».
    Die Sekretärin
    Christa Schroeder †1984
Obersalzberg/Berghof
    Mittwoch der 25. April war ein Frühlingstag mit einem strahlend blauen Himmel. Es lag noch ein bißchen Schnee, aber es war nicht mehr kalt. Ich hatte mich für morgens um 10 Uhr beim Friseur Bernhardt im Platterhof angemeldet. [...] Gegen halb 10 Uhr ertönten plötzlich wieder die Sirenen (Voralarm). Gleich darauf kündeten die Sirenen eine akute Luftgefahr an und schon kamen amerikanische Bomber über den hohen Göll angeflogen. In diesem Moment fiel in allernächster Nähe eine Bombe. Ich konnte nur noch meine Handtasche ergreifen und meinen Mantel umhängen und stürzte zu Johanna Wolf ins Zimmer (sie war vorher von einem Besuch bei ihrer Mutter in Wessobrunn zurückgekommen) und rief: «Komm schnell, es fallen Bomben!» Ich lief, ohne zu warten, die Treppe im Altbau des Berghofs runter, d.h. ich flog mehr vom Luftdruck getrieben, als daß ich lief, zum Bunkereingang, wobei nur wenige Meter Hof zu überqueren waren, die 60 Stufen in den Berg zum Bunker hinunter. [...]
    Pausenlos fielen die Bomben, manche direkt auf den Bunker. Die Einschläge hallten schauerlich in dem Felsgestein, es war unheimlich. Beijedem Einschlag zog ich den Kopf ein. Die technischen Einrichtungen, der als so sicher gepriesenen Bunkeranlagen versagten. Das Licht und die Belüftung setzten aus. Wasser drang in den Bunker ein und kam die Treppe herab. Bei Frau Fegelein, die hochschwanger war, befürchteten wir eine Frühgeburt. Das Chaos und die Angst waren nicht zu beschreiben.
    Gegen halb 3 Uhr nachmittags konnten wir den Bunker endlich verlassen. Langsam stiegen wir durch die lange Treppe vom Bunker an das Tageslicht hoch. Ein Bild grauenvoller Verwüstung bot sich uns dar. Der Berghof war schwer getroffen. Die Mauern standen zwar noch (nur eine Seite war geborsten), das Blechdach hing zerfetzt herab. Türen und Fenster gab es nicht mehr. Im Haus war der Boden dick mit Schutt bedeckt und der größte Teil der Möbel war demoliert. Alle Nebengebäude waren zerstört, die Wege verschüttet und die Bäume abrasiert. Nichts Grünes war mehr sichtbar, das Bild glich dem Gelände einer Kraterlandschaft.
    Lagebesprechung
Berlin/Führerbunker
    Hitler: Ich kann nur hier allein einen Erfolg erringen. Erringe ich hier einen Erfolg, und wenn es nur ein moralischer sein sollte, so ist das zumindest die Möglichkeit, das Gesicht zu wahren und Zeit zu gewinnen. Eines weiß ich: es ist völlig zwecklos, im Süden zu sitzen, weil ich dort keinen Einfluß und keine Armee habe. Ich wäre dort nur mit meinem Stabe. Einen süddeutsch-ostmärkischen Gebirgsblock könnte ich nur halten, wenn auch Italien als Kriegsschauplatz behauptet werden könnte. Aber auch dort herrscht ein völliger Defätismus bei der Führung, die von oben herunter zerfressen ist.
    Goebbels: In Berlin kann man einen moralischen Welterfolg erzielen. Dieser Erfolg kann nur an diesem Punkte, auf den das Auge der ganzen Welt gerichtet ist, errungen werden. Daß die Sowjets in Brandenburg einziehen, wird nicht so bedauernd empfunden, als daß Berlin von ihnen in Besitz genommen ist. Wenn sie aber vor Berlin zurückgeschlagen werden, dann wäre das Grund für ein großes Beispiel der Welt gegenüber.
    *
    Der sowjetische Offizier Alexander Gordejew
an der Elbe
    Ich ging mit meinen Stellvertretern Jakow Koslow, Tossoltan Bitarow

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