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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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werden.
    Der britische Kriegsgefangene
    Arthur Thomas Scales auf der Flucht bei Regensburg
    Jedoch auch unser vierter Tag im Wald brach endlich an. Während des Morgens und Nachmittags lagen wir vollkommen unbeweglich, trauten uns nicht, uns zu bewegen, denn obwohl eine Bewegung bei dem betäubenden Lärm der Kanonen nicht hätte gehört werden können, war es wichtig, die Büsche, unter denen wir Schutz gesucht hatten, nicht zu bewegen.
    Es gab eine Menge Unruhe während des späten Nachmittages. Wir hörten, wie die deutschen Soldaten ihre Maschinengewehre hinter sich herzogen, auf dem Weg 7–8 Yards über uns rennend. Obwohl wir unsere Köpfe unten hielten, als sie vorbeigingen, sah ich doch einen von ihnen, als er, ein leichtes Maschinengewehr tragend, vorbeirannte.
    5 Uhr. Alles schien ruhiger, kein Maschinengewehrfeuer, jede Artilleriekanone feuerte 3 Salven alle 15 Minuten.
    Dann hörten wir in der Ferne ein lautes Rumpeln, das an Lautstärke zunahm, bis wir es als das eines Panzers erkannten. Wir blieben unten, als das Monster auf dem Weg vorbeirumpelte. Nachdem der Krach abgenommen hatte, fragten wir uns flüsternd, wessen Panzer es wohl gewesen wäre. Wir waren überzeugt, daß es die Deutschen auf dem Rückzug gewesen sein müßten.
    Weiterhin nur Artilleriefeuer und Gewehrschüsse. 17.45 Uhr, das Geräusch eines herannahenden Wagens war zu hören, der zu unserer Überraschung mit quietschenden Bremsen hielt. Wir konnten durch die Büsche nichts sehen, aber er war nur 20 Yards entfernt. Dann hörten wir jemanden sprechen – und sahen uns überrascht an. Hatten wir richtig verstanden? Emmot sah mich an und formte, ohne einen Ton von sich zu geben, das Wort «Amerikaner» mit seinen Lippen. Genauso antwortete ich: «Ich glaube.»
    Der Wagen fuhr weiter, hielt aber nach 100 Yards erneut. Wir unterhielten uns flüsternd. Wir alle dachten, wir hätten das Wort «headquarters»mit amerikanischem Akzent sprechen hören, waren uns aber nicht hundertprozentig sicher.
    Wir wollten hinaus auf den Weg kriechen, um zu sehen, ob es sich wirklich um Amerikaner handelte. Emmot sagte jedoch, als Rangältester werde er gehen. Shepherd bestand darauf, ihn zu begleiten.
    Emmot zog einen kleinen «Union Jack» aus der Tasche und heftete ihn an die Kappe. Wir flüsterten unser «Viel Glück», als die beiden aus dem Unterholz krochen.
    Die folgenden Augenblicke schienen eine Ewigkeit zu dauern. Ich kann mich nicht mehr an unsere Gedanken zu der Zeit erinnern, aber dieser Moment bedeutete nach fünf Jahren Gefangenschaft, frei zu sein oder !!
    Wir hörten die zwei durch das Unterholz kriechen, Äste knickten, Steine bewegten sich unter ihren Füßen. Dann hörten wir jemanden rufen: «Don’t shoot! British prisoners-of-war!» Danach trat grausige Stille ein. Ich dachte für einen schrecklichen Moment, das deutsche Wort «Nein» gehört zu haben. Wir vier horchten, um die Worte aufzufangen, die die Männer auf dem Weg sprachen.
    Emmot kam als erster zurück – sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen –, dicht gefolgt von einem amerikanischen Soldaten, ein englisches Gewehr über die Schulter geschlungen.
    Wir alle waren schrecklich glücklich, aber keiner wußte so recht was zu sagen. Wir alle schüttelten dem Yankee die Händen und sagten: «Vielen Dank.» Es war schwer, sich bewußt zu werden, was dieser Augenblick bedeutete, aber ich weiß, daß ich das Gefühl hatte, eine enorme Last wäre von meinen Schultern genommen worden. Wir krochen alle auf den Weg, wo ich meinen ersten Jeep sah. Daneben standen drei G. I.s, die vorwärts rannten, um uns zu treffen und uns freundlich die Hand zu schütteln. Sie gaben uns Schokolade, Dosenfleisch, Kekse, Bonbons und köstlichen heißen Kaffee aus einer Thermoskanne. Einer von ihnen nahm per Funk Kontakt mit seinem Stab auf, berichtete seinen Fund und fragte nach weiteren Befehlen. Er wurde gefragt, ob das Gebiet gereinigt sei, worauf er bestätigte und die Anweisung erhielt, uns zum Stab zu bringen. Wir stapelten uns auf dem Jeep, 10 Mann einschließlich der Besatzung. Wir holperten und sprangen über den steinigen Boden durch den Wald, bis wir schließlich die Straße erreichten, auf der viele Panzer und bewaffnete Fahrzeuge gegen den Feind vorrückten. Wir kamen zu einem Dorf, wo aus jedem Haus eine weiße Fahne flatterte. Die Bewohner, die in den Eingängen standen, blickten sehr verschreckt. Wir erreichten ein sehr großes Haus und fuhren auf den Hof.
    Hier trafen wir den

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