Das Ei und ich
vertäuen. Ich fand es wunderbar, in der warmen Sonne rittlings auf einem Baumstumpf zu sitzen, den Möwen die Fischeingeweide vorzuwerfen und die Hände im Seetang abzuwischen. In Verbindung mit Seetang erlebte ich übrigens eine große Enttäuschung. Jahrelang hatte man mir vorgeschwärmt, daß frisch gefangene Muscheln in Seetang gekocht den Gipfelpunkt aller gastronomischen Genüsse darstellen. Aufgetischt mit süßem Mais und heißem Kaffee seien sie eine so köstliche Delikatesse, daß selbst Engelszungen verstummen müßten, wollten sie ihren Geschmack beschreiben. Das ist eine gemeine Lüge. Frisch gefangene Muscheln, gekocht in Seetang, sind voll Sand, und wenn man nicht die Absicht hat, die Magenwände zu polieren, wirft man sie besser gleich weg. Maiskolben, am Meeresufer in Seetang gekocht, schmecken ganz gut, aber man darf nicht empfindlich sein und muß großmütig darüber hinwegsehen, wenn einem die kochendheiße Brühe am Handgelenk entlang über den Arm tröpfelt. Meiner Meinung nach ist es bedeutend angenehmer, sich mit dem Fangen der Fische und Muscheln am Ufer zu begnügen, den zweiten Teil des Vergnügens aber, das Kochen, lieber zu Hause zu besorgen. Auf alle Fälle ist es empfehlenswert, Muscheln über Nacht mit Maismehl in frisches Wasser zu legen, damit die Schalen sich öffnen und die Sandkörnchen ausstoßen.
Backhühnchen hatten wir als Frühstück, als Mittagessen und als Abendbrot. Wir hatten Brathuhn, Suppenhuhn, Huhnragout und Hühnersalat. Es widerstand uns nie, ebensowenig wie Eier. Schweinebauch aber, eine landauf, landab beliebte Delikatesse, konnte uns gestohlen bleiben. Schweinebauch war fett und wabbelig und mit Knoblauch, Salz und Salbei angerichtet nicht einmal schlecht. Aber Tag für Tag Schweinebauch auf den Tisch zu bringen wie unsere Nachbarn, die ihn abwechselnd mit Kartoffeln brieten oder mit Kohl dünsteten oder in einer milchigen Fettsauce kochten, darauf verzichteten wir leichten Herzens.
Unser Garten lieferte ebenfalls reichlich Nahrung. Die fette schwarze Erde und der anhaltende Regen taten fast zuviel des Guten. Es erweckte manchmal den Anschein, als sprieße, blühe, trage und verwelke das Gemüse, bevor ich noch ins Haus laufen konnte, um ein Gefäß zum Einsammeln zu holen.
Trotz der vielen natürlichen Hilfsquellen, die einem zu Gebote standen, um die Ernährung vielseitig zu gestalten, und der Leichtigkeit, mit der alles gedieh, was man anpflanzte, aß ich in den Jahren, die ich auf der Hühnerfarm lebte, niemals an einem anderen Tisch als dem meinen Salat. Fleisch wurde gekocht und gebraten, eine dritte Zubereitungsweise kannten die Farmer nicht, und einzig Indianer ernährten sich von Fischen. Schweinebauch mit Kartoffeln, Schweinebauch mit Kohl, Schweinebauch mit Makkaroni oder Schweinebauch mit Fadenbohnen stand tagaus, tagein auf der Speisekarte. Die Farmer zogen Salat, und die Köpfe wurden dicht und groß wie Kohlköpfe, aber sie verfütterten sie den Schweinen oder Hühnern; sie säten Sellerie, doch wenn er zart und weiß war wie kristallener Schnee, verkauften sie jeden einzelnen Stengel. In ihren Gärten gediehen Runkelrüben, groß wie Luftballons, und schwedische Rüben, umfangreich wie Kürbisse, aber sie warfen sie den Kühen vor. Krautstiele schossen bis zu neunzig Zentimeter in die Höhe. Die Farmer schnitten das ganze Grünzeug ab, mischten es ins Schweinefutter und kochten die weißen Stiele stundenlang mit Schweinebauch, bis eine dickflüssige Masse daraus wurde, die sie mit Makkaroni verzehrten.
Nieren, Gekröse und Leber konnten wir jederzeit bekommen. »Eingeweide essen wir nicht«, erklärten unsere Nachbarn mit verächtlich herabgezogenen Mundwinkeln. Wir aßen sie fürs Leben gern. Lamm- oder Kalbsnieren, in Butter gedünstet und mit frischem Thymian, etwas Majoran und einem Glas Sherry aufgekocht – das war für unsere Zungen ein Leckerbissen und schmeckte nicht nach Eingeweide. Kalbsbries mit frischen Champignons sah auf dem Teller ebenfalls nicht aus wie etwas, das man besser wegwarf. Doch Schweinebauch schmeckte und sah aus, wie es hieß.
Aber trotz, der guten Dinge war das Essen kein reines Vergnügen. Wir frühstückten um fünf Uhr früh und aßen um fünf Uhr abends zu Nacht. Sieben und sieben wäre erträglich gewesen, acht und acht angenehm und neun und neun der Himmel auf Erden, aber leider Gottes war es fünf und fünf, und ob ich wollte oder nicht, kamen mir die Mahlzeiten stets wie zu früh geborene Kinder vor,
Weitere Kostenlose Bücher