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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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verpflanzen, ich hätte mit Freuden meinen, ach, so selbstgenügsamen rechten Arm für ein paar Isolatoren hergegeben.
    Voller Hingabe Stolz und Begeisterung zu heucheln über Bobs hervorragende Leistungen als Meisterschütze, während der bissige Abendwind mir mein Nachthemd um die zitternden Beine wirbelte, mir das Blut in den Adern erstarrte und meine Zähne wie Kastagnetten klapperten, gehörte ebenfalls zu den weniger erfreulichen Dingen. Bevor es zum Bewundern kam, mußte ich aus dem warmen Bett aufspringen und zum Fenster eilen, wo Bob mir voller Jagdeifer eine Eule zeigte, die an die fünfundzwanzig Meilen entfernt auf einem Zweig hockte. Da ich aber leider so kurzsichtig bin, daß ich nichts erkenne, bevor es sich nicht auf Armlänge vor mir befindet, mußte ich jedesmal ein langes Frage- und Antwortspiel durchmachen. »Dort auf dem äußersten Zweig.« »Welchem Zweig?« »Der von dem großen Ast absteht.« »Welchem Ast?« »Dem Ast von der großen Tanne.« »Welcher Tanne?« Endlos ging das so, bis ich zu guter Letzt gescheit genug war, »O ja, ich sehe es genau« zu rufen, bevor ich überhaupt noch am Fenster war, und mir vorsorglich erst meine Wollsocken, den Morgenrock und den dicken Mantel holte.
    Eulen fürchteten wir als Kükenmörder noch mehr als Habichte. Zum Glück war Bob wirklich ein ausgezeichneter Schütze mit Augen, scharf wie ein Fernrohr, aber zum Unglück teilte ich seine Jagdleidenschaft nicht und empfand nur Haß gegen nächtlichen Lärm und nächtliche Kälte. Ich schlug vor, doch vom Bett aus durchs offene Fenster ein paar Schreckschüsse in die Luft abzugeben, damit die Eule merkte, daß ein Mann im Haus war, wie Gammy vermeintliche Diebe mit dem Tappen von Vaters Schuhen in die Flucht gejagt hatte, aber Bob warf mir nur einen vernichtenden Blick zu, und wir ließen das Thema ohne weitere Erörterung fallen.
    Während ich mich abhetzte und nie mit meinem Tagewerk fertig wurde, erledigte Bob gutgelaunt, und ohne je außer Atem zu kommen, seinen Teil. Ihn quälten nie Einsamkeitsgefühle, die Arbeit machte ihm Freude. Schnitzer unterliefen ihm nicht, und nichts war imstande, ihn aus der Fassung zu bringen, aber er erwartete schließlich auch kein Baby.

Eine Frage der Einstellung
    Ändert man seine Lebensweise von Grund auf, wie ich es getan hatte, merkt man bald, daß vieles anfangs Neue zur Gewohnheit wird, anderes hingegen immer fremd bleibt. Und zu dieser zweiten Kategorie gehörten für mich:
    Die Hühner.
    Die Kerosinlampen.
    Unsere für den Morgenspaziergang so günstige, im übrigen aber sehr unbequeme Toilette außer Haus. Saß man im Dunkeln draußen, wußte man nicht, was im Schutz der Finsternis auf einen zukroch; nahm man aber eine Laterne mit, zog man unweigerlich Motten, Moskitos und Fledermäuse an.
    Das nicht vorhandene Radio.
    Das ebenfalls nicht vorhandene Telefon.
    Fledermäuse, die im Keller unten Versammlungen abhielten oder in lauen Sommernächten zum Fenster des Schlafzimmers ein- und ausflogen, flach übers Bett strichen und fast die Haut streiften, daß einem vor Angst und Schrecken ein Kribbeln über den Rücken fuhr.
    Hühnerläuse.
    Die Launenhaftigkeit von Mutter Natur, die den Winter so naß und kalt und unbehaglich machte, daß ich am liebsten auf und davon gegangen wäre, und den Frühling so warm, so wonnig und farbenprächtig, daß ich mich am liebsten auf den Rücken ins Gras gelegt und vor Freude wie ein junges Pferd gewiehert hätte.
    Wilde Rhododendren. Rhododendren sind kostbare Ziersträucher, die in leider meist häßlichen Farbkombinationen vor Häuser gepflanzt werden, wobei einem ungeschriebenen Gesetz nach die häßlichen roten Blüten fast immer vor senffarbenen Stuckfassaden zu finden sind. Das war alles, was ich über Rhododendren wußte, bevor ich in die Berge kam. Dort erweiterte sich mein Wissen, und nun ist mir bekannt, daß Rhododendron die Feld-, Wald- und Wiesenblume des Staates Washington ist und ihren großen Blüten im Frühling und Frühsommer alle Wege, alle Berghänge, alle waldigen Stellen der Küste entlang in verschwenderischem Reichtum schmücken. Sie sind ausnahmslos rot, aber ihr Rot weist Schattierungen von dunklem, sattem Kirschrot bis zu zartem Hellrosa auf. In den Feldern um Docktown-Bay herum wuchsen die Sträucher bis zu anderthalb Meter hoch, rund und voll, wie sich’s für rechte Sträucher geziemt, mit kohlkopfgroßen Blütendolden, an denen jedes einzelne Blümchen den Umfang einer Rose hatte. Das

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