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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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nach dem anderen in die Schüssel und rühre mit dem nackten, rechten Arm.«
    »Na, na, Mrs. Lincoln, warum denn auf einmal so knauserig?« sagte ich und erhöhte die Zahl der Eier auf sechzehn. Es ergab eine schöne Portion Teig, und mein Arm brach mir fast entzwei, aber ich ließ mich nicht unterkriegen, denn was Mrs. Lincoln in ihrem Alter fertigbrachte, mußte ich schließlich auch noch zu leisten imstande sein. »Man steche Klößchen in Nußgröße vom Teig ab und lege sie aufs Blech, wobei jedem Klößchen viel Platz zu belassen ist, da es zu Apfelgröße aufgeht.« Gehorsam tat ich, wie Mrs. Lincoln befahl, aber als ich die Windbeutel aus dem Ofen nahm, waren sie immer noch nußgroß und hart wie Stein. Ich gab mich nicht geschlagen, griff nach dem Fett, kleckste eine reichliche Portion davon in die Pfanne, wartete, bis es zischte, und warf ein Teigklößchen hinein. Pfffffff – das kleine Ding blähte sich zum Umfang einer mittleren Melone auf. Ich geriet in Ekstase. Stundenlang warf ich nun nußgroße Windbeutel heraus. In Schweiß gebadet, aber über die Maßen glücklich, schlug ich kondensierte Milch zu Rahmcreme. »Wir füllen sie uns jeder selbst«, sagte ich strahlend zu Bob, als ich die Platte mit Windbeuteln auf den Tisch stellte und die Schüssel mit der Rahmcreme holen ging. Stolz schnitt ich einen Windbeutel auseinander, um ihn mit Creme zu füllen, da war er schon gefüllt mit – einem Klumpen kalten Fetts! Doch das war nicht die einzige Enttäuschung. Kondensierte Milch, zu Creme geschlagen, schmeckt wie verbrannter Gummi.
    An angeregte Unterhaltungen beim Frühstück über Fadenwürmer, Eingeweide und Hühnerläuse konnte ich mich beim besten Willen nicht gewöhnen. Meine Meinung über Bobs Feingefühl korrigierte ich, als ich ihn dabei beobachtete, wie er voller Interesse die Abbildung verwurmter Hühnergedärme in Buntdruck betrachtete, dann einen Löffel Eigelb nahm, sich wieder dem verwurmten Hühnerdarm zuwandte und abermals mit Behagen einen Löffel Eigelb vertilgte. Ich zwang mich, ihn nicht anzusehen, und starrte krampfhaft in eine alte Zeitung.
    Selbst wenn ich nicht gerade in der Küche stand oder das Frühstück vor mir sah oder in anderen Umständen war, pflegte ich mir immer wieder zu sagen: »Als ob ich ein Arzt wäre, als ob ich ein Arzt wäre«, sobald ich das Innere eines zu seinen Vätern eingegangenen Huhns auseinandernehmen oder mich mit den verschiedenen Wurmarten beschäftigen mußte. Manchmal nützte die Autosuggestion, manchmal auch nicht, und dann wurde mir schlecht. Aber Eier konnte ich ein paar Tage nicht anrühren. Bob warf sich in die Brust und behauptete, es sei nur eine Frage der Einstellung, aber ich erinnerte ihn sanft daran, daß er sich beim Fischausnehmen übergab und ich die toten Ratten vom Estrich nehmen mußte. Es ist keine Frage der Einstellung, und mit Geist hat es nichts zu tun. Ein großer, stämmiger Schwede weiter unten im Tal war als der beste Schlächter weit und breit bekannt. Im Herbst suchte Bob ihn einmal auf, um mit ihm wegen des Abstechens unserer Schweine zu verhandeln. Mr. Larsen stand gerade im Stall und beförderte zwei Kälber fachgemäß ins Jenseits. Er hieb sie über den Kopf, schlitzte sie auf und nahm sie aus, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber als Mr. Larsen sich ein paar Minuten später in den Finger schnitt, mußte Bob die Wunde reinigen und verbinden, während Mr. Larsen grün und gelb im Gesicht wurde. »Mir wird übel, wenn ich Blut sehe«, bekannte er kläglich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Hand und Arm, die das Taschentuch hielten, troffen vom Blut der geschlachteten Kälber.
    Immer wieder versetzte mich in Erstaunen, daß fast alle Leute in der Gegend indianisches Blut hatten. Das Gespräch kam einmal darauf, als wir Selma Johnson, eine große, blonde Frau, in unserem Wagen nach Docktown mitnahmen. »Lassen Sie sich deswegen keine grauen Haare wachsen«, sagte Selma lachend. »Ich habe selbst auch eine halbe Pfeil-und-Bogen-Abstammung. Vater ist Schwede und Mutter ist Indianerin. Ich sehe wie eine Schwedin aus und meine ältere Schwester wie eine waschechte Pocahontas. Ich habe von meiner Mutter nur die Zähne geerbt. Wir Indianer haben alle gute Zähne. « Sie lachte uns strahlend an, und wir konnten uns selbst davon überzeugen.
    Daß persönliche Fragen an der Tagesordnung sind und keineswegs als aufdringlich gelten, wurde mir ausdrücklich klargemacht. In einem Land, wo Paarung, Geburt und Zucht des

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