Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
nämlich nicht Stunden, Tage…«
»Wochen?« warf Judit ein und wandte sich grinsend von ihm ab und Gill zu.
»… mit dem Versuch zugebracht herauszufinden, wo du hergekommen bist, um dann zuzulassen, daß dich vorher Onkel Hafiz erwischt.«
»Also hat Pedir herausbekommen, wo sie ist?« fragte Judit.
Acorna nickte. »Er ist außerordentlich hilfreich gewesen.«
Judit sah aus, als ob sie im Begriff stünde, noch etwas hinzuzufügen, sah aber dann den streitlustigen Ausdruck auf Gills Gesicht. »Ich kann heute morgen nicht mitkommen.« Sie wandte sich zu Herrn Li um. »Wir haben doch diesen Termin mit dem Leiter des Bauamts, wegen des Nachweises, daß die Mondbasis den gesetzlichen Vorschriften Genüge tut.«
»Das hört sich wie ein ingenieurtechnisches Problem an«, wandte Gill ein.
»Es ist Politik«, widersprach Judit. »Er weiß, daß der Konstruktionsentwurf der Mondbasis sicher ist, und er weiß, daß wir es wissen. In diesem Stadium braucht Delszaki keinen Ingenieur, der die Tatsachen noch mal durchkaut und rot im Gesicht wird. Sondern er braucht eine Psycholinguistin, um das Gespräch in die richtige Spur zu lenken.«
»Du meinst, Kezdet hat Einwände?« fragte Gill, weil er Gerüchte gehört hatte, die Rafik nicht hatte ernst nehmen wollen.
»Nichts, was man nicht bereinigen könnte auf diskrete Weise, mein Junge«, sagte Herr Li und steuerte seinen Schwebestuhl vom Tisch weg. »Kommen Sie mit, Judit. Gill, ich wäre dankbar Ihnen, wenn Sie würden begleiten Acorna und Nadhari, da Judit ja nicht kann.«
»Wie Sie wünschen, Herr Li«, erklärte Gill sich einverstanden, aber echte Begeisterung empfand er dabei nicht.
Nadhari Kando entsprach nicht gerade seiner Vorstellung von einer angenehmen weiblichen Begleiterin auf einem Ausflug.
»Sie wird bei mir sicher sein.« Eigentlich glaubte er nicht einmal, daß sie Nadhari überhaupt brauchten. Aber es war wohl besser, auf Nummer Sicher zu gehen, als sich hinterher Vorwürfe machen zu müssen.
Bald sollte er diesen Satz Calums Liste berühmter letzter Worte hinzufügen müssen. Aber als er in Pedirs Schweber kletterte – er war dem Mann schon früher mehrfach begegnet, da sich Judit und Acorna für ihre »Einkaufsausflüge« ständig ausgerechnet seines Fahrzeugs zu bedienen schienen –, hatte er noch nicht die geringste Ahnung davon gehabt, wohin es ging.
Pedir begann Acorna unverzüglich von ein paar sehr nützlichen Dingen zu erzählen, die, wie er gehört hatte, auf dem Markt praktisch umsonst erhältlich wären und die sie sich, meinte er, anschauen sollte. Das hätte Gill warnen sollen, aber er dachte über Tapha und Rafik nach und machte sich Sorgen, daß Rafiks gerissener Onkel ihn irgendwie auf Laboue festhalten und daß die Li-Mondbergbaugesellschaft dadurch zum Erliegen kommen könnte. Rafik hatte nämlich so vieles nur in seinem Kopf und nicht auf Papier festgehalten, daß es Gill Monate kosten würde, sich mit dem Stand der Dinge vertraut zu machen, wenn Rafik nicht in absehbarer Zeit zurückkehren würde.
Er wurde aus seinen Überlegungen erst aufgeschreckt, als Pedir den Schweber landete. Erstaunt stellte Gill fest, daß sie sich in der übelsten Gegend der Stadt befanden.
»Sie werden im Schweber warten«, wies Nadhari Acorna an.
»Ich werde das Mädchen holen.«
»Zu Ihnen wird sie aber nicht kommen«, widersprach Acorna.
Nadhari fletschte die Zähne. »Wird sie, wenn ich es ihr sage.« Sie schlüpfte aus dem Schweber, der in dem engen Innenhof, in dem sie gelandet waren, kaum Platz hatte, und stapfte durch Schlammpfützen zu einer Stelle, wo ein paar Stufen zu einer in die Mauer eingelassenen Kellertür hinabführten. Sie klopfte mit einer besonderen Zeichenfolge an; die Tür öffnete sich einen Spalt und knallte dann wieder zu.
»Warten Sie! Warten Sie!« rief Acorna, Nadhari nachjagend.
»Sie kennen Sie nicht! Sie hat Angst! Sie müssen zum Schweber zurückgehen!«
»Delszaki Li hat mir befohlen, Sie zu beschützen.« Nadhari rammte ihre Stiefelabsätze fest in den Schlamm und funkelte Acorna an. »Wo Sie hingehen, da gehe auch ich hin.«
»Niemand geht rein«, widersprach Acorna geduldig.
Gill meinte, daß es an der Zeit wäre, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. »Acorna, Acushla, das hier ist nicht direkt ein Einkaufsbummel, nicht wahr? Möchtest du mir nicht verraten, was vor sich geht?«
Acorna sah betreten auf ihre Füße. »Eigentlich nicht.«
»Das ist keine Antwort«, erwiderte Gill
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