Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
Kinder wiederherzustellen, nach den grauenvollen Erfahrungen, die einige von ihnen durchgemacht hatten.
Aber natürlich hatte er nicht ausdrücklich gesagt, daß er bei ihr bleiben wollte. Er hatte nur bei jeder Gelegenheit einen Arm um sie gelegt und gewollt, daß sie überall, wo er hinging, mit ihm mitkam und… Judit schluckte ihre Enttäuschung hinunter.
»Kann meine Kameraden nicht im Stich lassen«, erklärte Gill. »Wir sind immer ein Team gewesen, wir drei. Calum und Rafik brauchen jemanden mit ein paar Muckies, der die schweren Arbeiten macht, und jemanden mit gesundem Menschenverstand, um sie aus den verrückten Schlamasseln herauszuholen, in die sie sich immer wieder bringen. Ich wäre ein echter Stinkstiefel, wenn ich sie bitten würde, mich aus meinem Drittel der Uhuru herauszukaufen, nur weil ich ein bißchen älter bin als sie und den Drang verspüre, mich niederzulassen und es mir in einem bequemen Baujob gutgehen zu lassen.« Die Worte waren zwar an Provola Quero gerichtet, aber seine blauen Augen blickten auf Judit und flehten sie um Verständnis an.
Sie schluckte abermals und nickte langsam.
Selbstverständlich würde er die Partnerschaft nicht auseinanderbrechen. Sie hätte verstehen müssen, daß dies der Grund war, warum er nie irgend etwas über die Zukunft sagte, selbst wenn er ihr in der Gegenwart sein glühendes Verlangen nach ihrer Gesellschaft bewies. »Ich würde auch nicht wollen, daß ein echter Stinkstiefel… an diesem Projekt mitarbeitet«, sagte sie mit leiser Stimme. »Aber vielleicht besuchst du uns gelegentlich.«
»Sooft ich es einrichten kann«, versprach Gill mit einem wehmütigen Ausdruck auf seinem breiten Gesicht. »Öfter.«
Es war nur ein schwacher Trost, aber es war besser als nichts, sagte sich Judit. Außerdem, worüber konnte sie sich schon beklagen? Sie hatte in ihrem bisherigen Leben unglaubliches Glück gehabt. Und jetzt, mit nur achtundzwanzig, wurde ihr die Chance geboten, das zu tun, was sie am meisten liebte: mit Kindern zu arbeiten, ihre Ausbildung zu gestalten sowie über ihr Wohlbefinden zu wachen und die unsichtbaren Wunden zu heilen, die sie selbst nur allzugut kannte. Es wäre zuviel vom Schicksal verlangt, in diese Arbeit auch noch einen breitschultrigen rotbärtigen anachronistischen Wikinger in den Vierzigern als Lebensgefährten dreinzugeben.
Hafiz Harakamian fand in dem Schweberfahrer eine Informationsquelle von unschätzbarem Wert. Er wußte nicht nur den Tag, an dem die Rückkehr Acornas von Maganos erwartet wurde, er behauptete sogar, die genaue Stunde ihres Eintreffens zu kennen. Aber er warnte Hafiz auch, daß es keine gute Idee wäre, am Raumfährenhafen auf sie zu warten.
»Zu viele Leute woll’n unsre kleine Dame aus dem Licht seh’n, jetzt, wo die Geschichte über sie die Runde macht«, warnte er. »Wird am Hafen ‘n richtigen Menschenauflauf geben. Wenn sie rauskommt und da reingerät, werden’se nie an sie herankommen; wenn sie schlau ist und sich vom Wachdienst durch ‘nen Hinterausgang rausführen läßt, werden’se sie genau wie die anderen verpass’n.«
Er schlug statt dessen vor, daß er Hafiz genau zu dem Zeitpunkt zur Li-Residenz zurückbringen würde, für den Acornas Rückkehr geplant war.
»Ich habe es schon immer vorgezogen, an Ort und Stelle zu sein, lange bevor jemand anderer erwartet wird«, erklärte Hafiz mit der Entschlossenheit eines Mannes, der die dreißigjährige Harakamian-Batsu-Fehde überlebt und eine Aufteilung der planetaren Geschäfte ausgehandelt hatte, ohne dabei, so wie die zwei älteren Harakamians, seinen Kopf zu verlieren –
wortwörtlich. »Wir werden unsere Position außerhalb des Li-Anwesens zwei Standardstunden vor der Ankunft einnehmen.«
Zu diesem Zeitpunkt schien das eine ausgezeichnete Idee gewesen zu sein. Aber bevor die zweistündige Sicherheitsfrist auch nur zu einem Drittel verstrichen war, mußte Hafiz Harakamian einsehen, daß seine taktischen Instinkte durch zu viele im tropischen Klima seines Heimatplaneten verbrachten Jahre beeinträchtigt worden waren. Niemand hatte ihm gegenüber erwähnt, daß Kezdets Regenzeit bevorstand. Oder daß diese Regenzeit von einem beißend kalten, aus den nördlichen Bergen heranbrausenden Wind begleitet wurde.
Weil es bis zu diesem Morgen warm und sonnig gewesen war, hatte er zudem nicht gemerkt, daß dieser spezielle Schweber ein Leck im Dach hatte und es einem irritierenden Luftzug ermöglichte, das Fahrzeug von einem ungenügend
Weitere Kostenlose Bücher