Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
eine intelligente Außerirdische ist, eine Sprache spricht, die keinerlei Verwandtschaft mit irgendeiner menschlichen Zunge besitzt, dann wird alles, was wir über diese Sprache in Erfahrung bringen können, von unschätzbarem wissenschaftlichen Wert sein. Wir dürfen uns deshalb nicht von persönlichen Bedenken dazu verleiten lassen, der Wissenschaft im Wege zu stehen.«
»Und der akademischen Veröffentlichung«, ergänzte Judit trocken.
»Oh, machen Sie sich darüber keine Sorgen«, beschwichtigte Forelle sie. »Wenn Sie mir mit dem Kind helfen, werde ich Sie selbstverständlich als einen der Mitverfasser angeben. Und Sie müssen auch die andere Möglichkeit in Betracht ziehen. Falls sie doch nur ein mißgebildeter Mutant ist, der irgendeine bekannte Sprache auf eine Weise brabbelt, die wir anhand der Logbuchaufzeichnungen allein nicht erkennen konnten, würden wir uns zu gewaltigen Narren machen, wenn wir die Entdeckung der ersten wahrhaftig außerirdischen Sprache verkündeten! Dieses Risiko können wir nicht eingehen, nicht wahr?« Er lächelte in den Raum hinein und fuhr fort, mehr zu sich selbst als zu Judit: »Es ist höchste Zeit, daß die Linguistik als wissenschaftliche Disziplin endlich die Anerkennung erfährt, die ihr zusteht. Man hat uns all diese Jahre hindurch wegen einer zimperlichen Scheu davor, mit menschlichen Wesen zu experimentieren, in lächerlicher Weise Hemmschuhe aufgezwungen. Himmel, die ganze Theorie von der kritischen Periode des Sprechenlernens hätte schon vor Generationen ein für allemal geklärt werden können, wenn nur jemand den Mut gehabt hätte, ein paar Dutzend Säuglinge zehn oder zwanzig Jahre lang von menschlicher Sprache zu isolieren. Es wäre ein wunderbares kontrolliertes Experiment gewesen, wissen Sie – alle sechs Monate ein Kind herauszunehmen und es der Sprache auszusetzen. Und sobald diese zu reagieren aufhörten, hätte man gewußt, daß die kritische Periode vorüber war. Natürlich würde man die Probanden nicht dadurch kontaminieren wollen, daß man die herausgenommenen Kinder wieder zurückbringt, und man muß Verluste durch
Krankheiten einkalkulieren und die
Notwendigkeit, die Resultate durch Duplikation zu untermauern, so daß eine ziemlich große Ausgangstestgruppe erforderlich wäre. Ich bin überzeugt, daß nur das der Grund war, weshalb mein Antrag auf finanzielle Förderung dieses Experiments abgelehnt wurde. Regierungen sind so furchtbar kurzsichtig, wenn es um die Grundlagenforschung geht. Aber dieses Mal werde ich nicht auf Fördergelder warten müssen.
Ich habe die Versuchsperson genau hier, zumindest werde ich sie haben, sobald dieses Glatt-Weib mit ihren kindischen Tests durch ist, und das Psychosozialisations-Labor von Amalgamated ist für diese Art Untersuchungen perfekt ausgerüstet.«
Judit Kendoro biß sich auf die Unterlippe und rief sich ins Gedächtnis, daß sie großes Glück gehabt hatte, aus den Fabriken von Kezdet herauszukommen, Glück, eines der ganz wenigen Hochschulstipendien zu ergattern, die für einheimische Schüler ausgeschrieben waren, noch mehr Glück, einen guten Job bei Amalgamated zu bekommen, der ihre Schwester Mercy aus der Schuldknechtschaft freigekauft hatte und, in nur noch ein paar Monaten, auch ihren kleinen Bruder Pal durch die Schule bringen und ihm zu einem eigenen Job verhelfen würde. Selbst wenn sie die anderen Beweggründe außer acht ließ, die sie bei Amalgamated festhielten, konnte doch niemand ernsthaft von ihr erwarten, daß sie all diese Jahre harter Arbeit über Bord warf, nur weil irgendein Findelkind durch das erneute Durchleben eines traumatischen Zwischenfalls seiner Vergangenheit in Angst versetzt werden mochte. Außerdem, was konnte sie schon tun?
»Ich schaue mal kurz nach, wie sie bei TT&A mit dem Kind vorankommen«, erwiderte sie.
Dr. Forelle lächelte. »Gute Idee. Die haben sie jetzt lange genug gehabt. Und Sie könnten gleich die Testergebnisse mitbringen… nicht, daß ich von den klobigen, veralteten Instrumenten, die diese Glatt benutzt, viel erwarten würde.«
»Wir haben die Formulare fertig ausgefüllt«, sagte Gill und beugte sich über Eva Glatts Schreibtisch, »und kommen jetzt wegen Acorna. Wenn Sie uns einfach den Weg zum Kinderhort zeigen könnten?«
Eva sah überrascht aus. »Oh, Sie können sie jetzt nicht abholen!«
»Warum nicht? Sie mag sich ja über die Gelegenheit freuen, mit den anderen Kindern spielen zu können, aber ich bin überzeugt, sie wird uns
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