Das einsame Haus
Ihrem Mann? Gibt es hier noch mehr van Straatens?«
»Ich weiß es nicht. Es gibt mehrere Linien van Straaten. Jedenfalls habe ich keinerlei Verbindung zu ihnen, falls sie wirklich in München leben sollten. Ich bin eine alte Frau und lebe von meinen Erinnerungen. Verwandte habe ich noch niemals leiden können.«
»Vielen Dank, Frau Baronin. Übrigens: Frau Anna Hilbinger ist tot.«
Sie begleitete mich mit ihrem starren Lächeln zur Tür.
»Viele Menschen sind gestorben, junger Mann. Ich sagte Ihnen doch, daß ich diese Frau nicht kannte.«
Ich fuhr mit dem Lift hinunter, und erst unten im Sonnenschein wurde mir wieder wärmer, dann fuhr ich endgültig ins Präsidium zu Inspektor Wendlandt.
Fräulein Seiffert, Wendlandts Sekretärin, hob beschwörend beide Hände, als sie mich sah.
»Um Gottes willen, Herr Brenthuisen, gehen Sie nicht zu ihm hinein. Das wäre glatter Selbstmord!«
»Ist er so gut aufgelegt?«
»Noch besser. Sie müssen ihm irgendwo in die Quere gekommen sein, er hat Ihnen die schönsten Schimpfnamen gegeben!«
»Hat er Ihnen schon was diktiert? Weiß man schon, wer der Tote von gestern abend ist?«
Renate Seiffert hob ihre mageren Schultern. Sie war sechsundvierzig, und man sah ihr den Kummer an, den sie still vor sich hinduldend trug: daß sie immer noch Fräulein war. Ich glaube, daß es in ihren Nächten nur einen einzigen Traum gab, den Traum, eines Tages beim Kaufmann als Frau Oberinspektor Wendlandt angeredet zu werden.
»Man weiß noch gar nichts«, sagte sie. »Der Chef hat alle Reviere verständigt. Es liegt keine Vermißtenmeldung vor.«
»Und die Giftmischer im Labor, haben die schon was herausgefunden?«
»Ich weiß nicht. Aber wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, dann verduften Sie, ehe er Sie hier entdeckt.«
Ich halte mich selbst nicht für besonders intelligent, aber auch nicht für besonders dumm. Deshalb weiß ich ganz genau, was für ein Gesicht ich zu machen habe, wenn ich bei einem Mädchen wie der Seiffert Erfolg haben möchte: Ich streiche dann mit einer lässigen Bewegung meinen braunen Haarschopf nach hinten, blicke ein wenig mit meinen unverschämt blauen Augen, die ich von meiner Mutter geerbt habe, und dann zeige ich lächelnd meine gesunden Reklamezähne, das einzige Erbe meines Vaters, der als Dekorationsmaler viele Opfer brachte, um aus mir einen braven Sparkassenbeamten zu machen. Zum Glück starb er friedlich an einem Herzschlag, noch ehe er gezwungen war, meinen ersten Artikel als Reporter zu lesen.
»Seiffertchen — ich gebe Ihnen mal Privatunterricht im Lügen. Eine Frau, die das nicht vollendet kann, wird niemals einen Mann finden, es sei denn einen Trottel. Lassen Sie mich schon lesen, was er Ihnen diktiert hat.«
»Das können Sie gleich selber hören!« sagte eine gefährlich leise Stimme hinter mir. »Kommen Sie ‘rein, Brenthuisen.«
Inspektor Wendlandt hielt mir die Tür auf, ich quetschte mich an ihm vorbei in sein Büro. Er kam mir nach, setzte sich hinter seinen Schreibtisch, nahm die dicke Hornbrille ab und schaute mich mit schwimmenden Augen an.
»So«, sagte er, »ohne Brille betrachtet, haben Sie eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Menschen. Leider sind Sie ein Reporter.
Wie, zum Teufel, sind Sie auf den Gedanken gekommen, mir Arnold Schwenk verrückt zu machen?«
»Im Wirtshaus, gestern abend, hat mir das einer erzählt. Der Briefträger, der Schwenks Postanweisungen jeden Monat an die Hilbinger auszahlte.«
»Ah, der Briefträger! Den der Bürgermeister angeblich nicht gefunden hat.«
»Er säuft, Inspektor. Aber er säuft nicht so viel, daß er weiße Mäuse sieht. Er hat nur die Abschnitte der Postanweisungen gesehen.«
»Na schön. Ich habe diese Abschnitte fein säuberlich geordnet in der Schublade der Hilbinger gefunden. Was schließen Sie daraus?«
»Sie war eine umsichtige Person. Wenn sie einen Selbstmord begehen wollte, hätte sie diese Zettel vernichtet.«
»Genau das habe ich mir auch überlegt. Übrigens in der Gin-Flasche ist eine ganz gehörige Portion Nikotin. Der Mann ist auch an Nikotin gestorben.«
»Nikotin? Wie originell.«
»Finde ich auch. Läßt sich mit privaten Mitteln verhältnismäßig leicht herstellen. Und schmeckt nicht so penetrant wie Zyankali oder Rattengift. Also?«
»Also scheidet die Hilbinger als Täterin aus?«
»Ich glaube ja. Vorsichtshalber lasse ich ihre Küche daraufhin noch mal untersuchen.«
»Außerdem würde sie das Zeug ja nicht trinken, das sie selber
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