Das einsame Haus
ist mein voller Ernst.«
»Meiner auch, Inspektor. Ich habe ihn wirklich nicht...«
»Raus!« sagte er gefährlich leise. »Sofort ‘raus. Und lassen Sie sich bei mir nicht mehr blicken, außer, es fällt Ihnen plötzlich ein, wo die Aktentasche geblieben ist.«
Ich weiß nicht, warum ich es tat: ich fuhr nicht nach Solln, um mir Buchingers Haus näher anzusehen, sondern ich fuhr hinaus zum Hofoldinger Forst, an den Waldrand, wo das einsame Haus stand.
Irgend etwas zog mich dorthin, und auf der ganzen Fahrt fragte ich mich, was ich dort eigentlich wollte.
Ich parkte meinen Wagen vor der Garage, genau wie damals, als ich zum erstenmal mit Cornelia hierher gekommen war.
Und genau wie damals ging ich erst um das stille Haus, dessen Fensterläden geschlossen waren.
Und genau wie damals schaute ich durch das Glas der Eingangstür in die Halle. Beinahe mechanisch drückte ich auf die Türklinke.
Genau wie damals war die Tür nicht verschlossen. Aber diesmal zögerte ich, einzutreten. Ich wußte es auf einmal ganz genau: in dem Lehnstuhl in der Diele würde wieder ein Toter sitzen. Oder eine Tote...
Ich trat ein.
Ich atmete erleichtert auf. Es saßen weder ein Toter noch eine Tote im Lehnstuhl. Es war alles ganz still in diesem Haus.
Ich ging durch die Diele in die Küche — leer.
Ich betrat das Wohnzimmer, machte Licht — leer.
Aber als ich mich umdrehte, stand sie mir direkt gegenüber. Ich schaute genau in die Mündung ihrer Pistole.
Sie war mittelgroß, und mehr als ihre Pistole beeindruckte mich ihre gepflegte Erscheinung. Sie trug ein dunkles Kostüm mit schmalem Pelzbesatz, das sie wahrscheinlich schlanker erscheinen ließ, als sie in Wirklichkeit war, vollschlank wäre schon wieder zuviel gesagt. Ihr dunkles, leicht gewelltes kurzes Haar zeigte sogar hier im Dämmerlicht einen rötlichen Schimmer, der aber vermutlich angefärbt war.
Ihr Gesicht drückte weder Überraschung noch Angst aus, auch keinen Zorn, sondern eher ein wenig neugierige Sachlichkeit. Es war ein schönes, ebenmäßiges Gesicht, beherrscht von großen grauen Augen. Als sie sprach, erinnerte ich mich sofort, diese Stimme schon einmal irgendwo gehört zu haben.
»Ich wüßte gern, was Sie hier zu suchen haben?«
Sie hielt die zierliche 6,35er genau auf meine Brust gerichtet, ihre Hand zitterte nicht. Es ist kein angenehmes Gefühl, so dazustehen und zu warten, daß jemand den Finger krumm macht. Mein Lächeln mag ein wenig gezwungen gewirkt haben, als ich sagte: »Vermutlich dasselbe wie Sie. Vielleicht könnten wir zusammen nach einer Aktentasche suchen. Oder nach den Dokumenten, die aus den Tresoren im Möhnert-Haus verschwunden sind?«
Ihre Augenlider mit den langen, wunderbar geschwungenen Wimpern zuckten.
»Warum haben Sie sich in eine Sache eingemischt, die Sie nichts angeht?«
»Sie geht mich etwas an, Antonia Paola. Ich stand dort drüben, zwei Meter von hier, als ein Mann vor meinen Augen starb. Er starrte mich an und gab mir einen Auftrag. Es waren drei Worte, die er mir noch sagen konnte, aber diese drei Worte waren ein Auftrag. Warum haben Sie ihn vergiftet?«
»Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig«, sagte sie. In ihrem Gesicht war keine Spur einer seelischen Regung zu erkennen. »Verlassen Sie sofort dieses Haus! Meinetwegen können Sie zum Dorf hinüberfahren und die Polizei anrufen. Ich werde natürlich nicht warten, bis sie kommt.«
Ich überlegte, ob ich ihr blitzschnell die Pistole aus der Hand schlagen könnte, aber sie schien meine Gedanken erraten zu haben, trat zwei Schritte zurück.
»Ich möchte um alles in der Welt nicht auf Sie schießen müssen, aber ich würde es tun, wenn Sie mir Schwierigkeiten machen. Ich meine — noch mehr Schwierigkeiten. Gehen Sie!«
»Und wenn ich nicht gehe? Wenn ich einfach hier stehen bleibe?«
»Dann würde ich gehen. Und wenn Sie versuchen würden, mir zu folgen, würde ich auf Sie schießen.«
»Sie tun, als käme es Ihnen auf einen Mord mehr oder weniger nicht mehr an. Sie tun, als wären Sie ein eiskaltes Weibsstück, das in einer Schießbude steht. Sie tun so, als hätten Sie Walther Möhnert vergiftet. Wissen Sie, daß die Polizei schon Freddy Möhnert festgenommen hat, der behauptete, er sei Möhnerts Mörder? Und daß Ihre Tochter in der Zelle 13 sitzt und behauptet, sie hätte Walther Möhnert vergiftet? Das sind schon zwei. Und jetzt haben wir die dritte Person, die behauptet, Möhnert umgebracht zu haben. Wie viele...«
»Habe ich das wirklich
Weitere Kostenlose Bücher