Das einsame Haus
behauptet?« unterbrach sie mich. »Dieser Inspektor Wendlandt ist ein Dummkopf, wenn er Anna oder Freddy glaubt.«
»Also gut, dann suchen wir zusammen das Entlastungsmaterial. Wir beide wissen, wer der Mörder ist, wir wissen beide, daß er alles tut, um Ihnen den Mord in die Schuhe zu schieben. Sie sollten mir vertrauen, Antonia Paola. Wir beide zusammen könnten der Polizei die Beweise liefern, die sie braucht, um...«
»Schweigen Sie endlich«, unterbrach sie mich unwillig. »Sie haben keine Ahnung, was gespielt wird. Sie sind vielleicht nicht ganz so dumm wie dieser Polizeiinspektor, dafür sind Sie naiver, und das ist noch gefährlicher. Wollen Sie sich unbedingt umbringen? Also gehen Sie jetzt. Lassen Sie mich allein.«
»Ich bleibe stehen. Bis es Nacht wird. Wenn es sein muß, bis morgen früh. Es gibt für Sie nur eine Möglichkeit: entweder Sie kommen mit mir, oder Sie müssen auf mich schießen.«
Sie trat wortlos noch einen Schritt zurück und legte die Pistole auf den kleinen Dielentisch. Dieser Schritt rettete ihr das Leben.
Ich hörte den Schuß nicht, aber ich sah das Bersten und Splittern der Glasscheibe in der Tür, und ich hörte die Kugel in die Mauer klatschen.
Mit zwei Sätzen war ich am Tisch, hatte die kleine Pistole in der Hand, hastete geduckt zur Tür und stieß sie auf.
Ich sah ihn noch um die Hausecke biegen, jagte ihm nach und sah ihn in ein Auto springen, dessen Motor lief.
Ich hob die Pistole und drückte ab.
Es machte nicht einmal >Klick<...
Der Wagen, ein dunkelgrauer VW, raste zur Straße hinauf, bog dort nach rechts ab und verschwand hinter der Fichtenhecke.
Ich öffnete die Kammer der Pistole, zog das Magazin heraus: es war keine Munition drin.
Was sollte ich tun? Ins Haus zurückgehen und Antonia Paola festnehmen? Oder in meinen schnellen Wagen klettern und dem Kerl nachfahren?
Ich hatte das Gefühl, was auch immer ich jetzt tun würde, es wäre falsch.
Also zündete ich mir eine Zigarette an und tat gar nichts. Das heißt, ich dachte nach, und dann ging ich langsam zum Haus zurück.
Antonia Paola stand noch immer an der gleichen Stelle. Ihr Gesicht war leichenblaß.
Ich zog ihr die schwarze Handtasche unter dem linken Arm weg, öffnete sie und schob die Pistole hinein.
»Sie Anfängerin. Pistolen sind kein Spielzeug, sondern eine sehr ernste Sache. Wir haben beide Glück gehabt, daß der Kerl nach dem ersten Schuß die Nerven verlor. Er hatte vorsorglich die hintere Nummer an seinem Wagen mit Dreck verschmiert. Aber wir beide wissen auch so, wer es gewesen ist. Wollen Sie mir nicht endlich helfen, ihm das Handwerk zu legen?«
Mit ihrer Selbstbeherrschung war es plötzlich vorbei. Sie wankte zu einem der kleinen Sessel, ließ sich hineinfallen und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Ich sah, wie ihre Schultern zuckten. Ich trat neben sie und legte meine Hand auf ihre Schulter.
»Beruhigen Sie sich, Antonia. Lassen Sie uns in Ruhe überlegen, was zu tun ist.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Gehen Sie ins Dorf und rufen Sie die Polizei. Ich werde hierbleiben und mich festnehmen lassen. Ich kann einfach nicht mehr.«
»Das wäre zu einfach«, sagte ich. »Bis ich mit der Polizei zurückkäme, wären Sie verschwunden. Wollen wir nicht zusammen hinüberfahren? Wie sind Sie überhaupt hierher gekommen?«
»Mit einem Taxi. Ich habe mich kurz vor dem Haus absetzen lassen.«
»Und was wollten Sie hier?«
»Holen Sie die Polizei!«
»Sie lieben ihn. Ich weiß, daß Sie ihn von früher kannten. Sie hatten schon damals, als Ihr Mann noch lebte, ein Verhältnis mit ihm. Sie sind ihm verfallen. Sie können von ihm nicht los, und er liefert Ihren Kopf dem Staatsanwalt, um sich zu retten. Und Sie helfen ihm noch! Alles schön und gut, so was soll vorkommen. Aber Sie haben eine Tochter. Ihre Tochter hat ein Recht auf die Mutter. Nicht auf eine Mutter, die wegen eines Mordes, den sie nicht begangen hat, im Zuchthaus sitzt. Was wollen Sie denn...«
»Hören Sie doch auf!« schrie sie mich an. »So hören Sie doch endlich auf! Rufen Sie die Polizei.«
»Ich denke gar nicht dran, Sie und Ihre Tochter unglücklich zu machen, nur damit diesem Dreckskerl nichts passiert. Wenn ich Sie Wendlandt ausliefere, werden Sie ihm ein bis in die letzten Details durchdachtes Geständnis liefern. Er wird froh sein, so leicht mit diesem Fall zu Ende zu kommen, er wird nicht weiter nachforschen, er hat ja den Mörder. Und Freddy Möhnert wird es sich einfach nicht leisten können, die Tochter
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