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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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steckte ein Zettel hinter dem Scheibenwischer.
    Nein, kein Zettel, sondern ein verschlossener Briefumschlag.
    Ich riß ihn auf. Der Brief bestand nur aus wenigen, handgeschriebenen Zeilen:

Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Antonia hat die Morde begangen. Ich will versuchen, sie zu einem Geständnis zu bewegen. Falls mir etwas zustoßen sollte, wissen Sie kluger Junge, was Sie zu tun haben.
    Buchinger

    Er schien eine theatralische Ader zu haben, dieser Mörder. Und vorsichtig war er auch, wenn es galt, seine Spuren zu verwischen. Was sollte ihm schon zustoßen?
    Einen Augenblick lang sah ich in Gedanken ein schreckliches Bild: der Selbstmörder, zu dem Inspektor Wendlandt an die Brücke gerufen worden war, war kein Mann, sondern eine Frau: Antonia Paola... Buchinger hatte sie umgebracht...
    Junge, Junge, dachte ich, nimm dich endlich zusammen. Ich ließ den Motor an und fuhr zu der kleinen Pension, in der Anna sicherlich auf mich wartete. Vielleicht, wenn ich großes Glück hatte, auch ihre Mutter.
    Ich traf Anna in ihrem Zimmer. Sie war blaß, ihr hübsches Gesicht eingefallen, und unter ihren schönen Augen lagen dunkle Schatten.
    »Gott sei Dank«, sagte sie. »Ich dachte schon, ich würde hier langsam aber sicher verrückt. Was ist geschehen?«
    »Buchinger ist geflohen. Haben Sie schon gefrühstückt?«
    »Nein.«
    »Sie müssen, sonst klappen Sie zusammen. Ich werde was für Sie bestellen.«
    Sie widersprach nicht. Ich bestellte für uns beide Kaffee und Brötchen mit Marmelade. Eine Sekunde lang kam ich mir vor wie auf einer Hochzeitsreise, aber dieses euphorische Gefühl dauerte nur so lange, bis ich Anna wieder gegenüber saß.
    »Haben Sie — nein, anders herum: Sie sagten gestern, Ihre Mutter hätte sich an Walther Möhnert gerächt, sie hätte ihn vergiftet. Wissen Sie das ganz genau, oder glauben Sie es nur?«
    »Möhnert hat seinerzeit die Geschäftspapiere gefälscht. Er hat meinen Vater ruiniert, und zwar so geschickt, daß man es ihm nicht nachweisen konnte. Vater war verzweifelt. Er sah keinen anderen Ausweg mehr und hat sich erschossen. Buchinger wußte von Möhnerts Manövern. Er half meiner Mutter weiter, aber er war gegen Möhnert machtlos, weil Möhnert allein die Beweise besaß oder sie vernichtet hatte. Meine Mutter ging nach Paris, ich kam hierher zurück, und Buchinger verschaffte mir die Stelle in der COLORAG. Walther Möhnert spielte mir gegenüber den onkelhaften Gönner, wenigstens eine Zeitlang. Dann wurde er deutlich. Buchinger hatte seine Hand dazwischen, und Möhnert wagte es nicht, mich hinauszuwerfen. Als ich erfuhr, daß er getötet worden war, dachte ich zuerst, es sei Buchinger gewesen, dessen Vertrag demnächst abgelaufen wäre. Dann aber meldete sich meine Mutter. Wir haben über Möhnerts Tod nie gesprochen, aber ich weiß, daß sie meinen Vater gerächt hat.«
    »O Mädel! Fast tut es mir leid, daß ich so glücklich verlobt bin. Aber — na ja, Freddy Möhnert ist ja auch nicht ohne.«
    Ihr Gesicht zeigte keine Spur eines Lächelns. Wie zu sich selber sagte sie:
    »Meine Mutter wollte, daß Freddy und ich eines Tages... die COLORAG sollte uns gehören, uns allein. Walther Möhnert hätte das niemals zugelassen, und er hätte Mittel und Wege gefunden, eine Verbindung zwischen Freddy und mir zu verhindern.«
    »Anna, Ihre Mutter ist keine Mörderin. Ich fühle das. Sie ist das Opfer von Buchingers Intrigen geworden. Er wollte sich absichern, wollte sie in der Hand haben, und deshalb hat er alles so in Szene gesetzt, daß sie schuldig sein sollte. Auch ihm würde es ja nicht in den Kram passen, wenn Freddy und Sie die COLORAG erbten, nicht? Ich sehe ziemlich klar. Nur verstehe ich nicht, warum Ihre Mutter nicht hier gewartet hat. Ich habe ihr meinen Plan, Buchinger zu fassen, erklärt, als ich sie hierherbrachte. Warum hat sie nicht gewartet, und warum hat sie heute nacht Buchinger angerufen?«
    »Sie hat... Buchinger angerufen?«
    »Ja. Und mir damit alle Chancen zerstört. Ich war mit ihm schon ganz schön weit gekommen, als der Anruf Ihrer Mutter kam. Die beiden haben sich um Mitternacht irgendwo verabredet. Ich weiß nicht, wo. Verstehen Sie das?«
    Sie griff nach ihrer Handtasche und legte sie wieder weg.
    »Mir sind die Zigaretten ausgegangen. Haben Sie eine für mich? Danke. Nein, ich verstehe das auch nicht.«
    »Liebt Ihre Mutter diesen Buchinger?«
    »Den? Nein, gewiß nicht. Aber er ist wild nach ihr. War es schon immer. Au! Sie tun mir weh!«
    Ich hatte ihre

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