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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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Parkplatz im Auge behalten konnten.
    Kaum hatten sie den Motor ausgeschaltet, schob sich ein Jüngling in schwarzer Lederjacke und grünem Schal an ihren Wagen heran. Den Blick demonstrativ in die Ferne gerichtet, als suche er unter den Herankommenden einen Bekannten, pochte er mit den Fingerknöcheln kurz gegen die Scheibe. Brennecke öffnete die Tür, und der Bursche quetschte sich auf den Rücksitz.
    »Was ist los?«, fragte Brennecke. »Haben sie euch den Bauwagen geklaut?«
    Der Bursche stöhnte: »Hör auf! – Wir kommen nicht rein.«
    »Wie bitte?«, fauchte Lohkamp.
    »Ja. Jemand hat das Vorhängeschloss geknackt und von innen verriegelt …«
    »Wer?«
    »Keine Ahnung, Herr Lohkamp. Reingucken kann man nicht – wegen der Gardinen vor den Fenstern. Wir haben geklopft, aber niemand hat sich gerührt. Als wir die Tür knacken wollten, tauchten die ersten Trauergäste auf. Wir sind dann abgehauen. Um unnötiges Aufsehen zu vermeiden …«
    Die Temperatur im Wageninnern lag plötzlich unter Null. Lohkamp holte tief Luft und ballte die Fäuste. Dann öffnete er die Hand und zielte mit dem Zeigefinger auf die Brust des Mannes auf dem Rücksitz: »Nach der Beerdigung holt ihr die Vögel da raus! Wie, das ist mir völlig egal. Aber wehe, wenn euch einer durch die Lappen geht! – Raus!«
    Wie ein Wiesel quetschte sich der Bursche zwischen Brenneckes Rückenlehne und dem Türrahmen hinaus. Lohkamp sah ihm nach, bis er im Friedhofseingang verschwunden war: »Wirklich, Brennecke – es gibt Leute, denen klauen sie das Präsidium unter dem Arsch weg, ohne dass sie es merken …«
     
    Ein weißer Audi rollte heran. Lohkamp erkannte den Vater der Toten, der gemeinsam mit der zweiten Tochter der Mutter heraushalf. Sie hakten sich an beiden Seiten bei ihr ein und warteten, bis der Fahrer den Wagen abgeschlossen hatte.
    Marianne Pohlmann war gerade zwanzig gewesen, als sie Ruth zur Welt gebracht hatte. Wie sie da zwei Dutzend Schritte vor ihnen stand, wirkte sie trotz ihrer erst fünfzig Jahre wie eine alte Frau. Ihr Gesicht war von einem schwarzen Schleier verborgen, der gerade noch die tiefen Kerben in den Mundwinkeln frei ließ. Von der Statur her war Ruth zweifellos dem Vater ähnlicher gewesen. Schmal und beinahe drahtig glich er ganz und gar nicht den kräftigen Gestalten, die man sonst am Steuer von Schwerlastzügen vermutete.
    Der Fahrer, offenbar der Schwiegersohn, kam heran und hakte sich bei seiner Frau unter. Der äußere Unterschied zu Ruths Eltern war frappierend. Biedere Trauerkleidung hier, schwarzer Chic dort. Der Schwiegersohn wirkte so cool, als arrangiere er ein Geschäftsessen.
    »Was macht der noch mal beruflich?«, fragte Lohkamp.
    »Computer«, antwortete Brennecke ohne zu zögern. Er kannte die Akten aus dem ff.
    Weitere Leute fuhren vor oder eilten zu Fuß heran, Gesichter, von denen Lohkamp nur wenige bekannt vorkamen: Kolleginnen und Kollegen, die halbe Nachbarschaft der Eltern, eine pensionierte Lehrerin, Schulbekanntschaften. Ruths Mutter kannte sie fast alle mit Namen, als sie ihr am Tage nach der Beerdigung Fotos vorlegten …
    Gellermann kam ohne Gattin, aber zusammen mit dem Ehepaar Puth in dem blauen Dreihunderter. Der Unternehmer ging in der Mitte, das Gesicht noch faltiger, der Schritt noch hinfälliger, als sie ihn vor ein paar Tagen in der Firma erlebt hatten.
    Roggenkemper ließ sich erst kurz vor Beginn der Trauerfeier vorfahren. Am Tor stieß er fast mit dem Exgatten zusammen. Sie wechselten kein Wort, aber es war deutlich, dass sie sich kannten. Während der Bürgermeister dem anderen ein knappes Kopfnicken gönnte, blickte ihm Michalski beinahe drohend nach.
    »Komm«, sagte Lohkamp. »Es wird Zeit …«
    Sie stiegen aus und marschierten los. Vorbei an den Reihengräbern der Bergleute, die es noch im März fünfundvierzig bei einem Bombenangriff in der Kaue erwischt hatte, in Richtung Trauerhalle. Das Wetter war trüb. Tiefhängende Wolken trieben vorbei, aber der Beerdigungsregen blieb noch aus. Lohkamp hoffte inständig, dass es so blieb. Das Schlimmste an den Friedhofseinsätzen war stets der Lehm, den er danach von den Schuhen kratzen musste.
    Die neue Halle erwies sich als zu klein, um alle Trauergäste zu fassen: Rund zwei-, dreihundert Leute standen auf dem weiten Vorplatz, einzeln, in Grüppchen. Die Kripo-Männer sperrten die Ohren auf – aber mehr als allgemeines Bedauern bekamen sie nicht zu hören.
    Michalski hielt sich weitab. Als er sie erkannte, zuckte er zusammen

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