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Das Ekel von Säffle

Das Ekel von Säffle

Titel: Das Ekel von Säffle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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ich?«
    »Ja.«
    »Und niemand haue Grund, sich über ihn zu beklagen?«
    »Nein.«
    »Aber es ist doch vorgekommen, daß Leute ihn wegen eines Dienstvergehens angezeigt haben«, konstatierte Martin Beck.
    »Solche Anzeigen haben die sich aus den Fingern gesogen.« Martin Beck stand auf und ging einige Schritte auf und ab. »Da ist noch eine Sache, über die ich bisher nicht gesprochen habe. Aber das will ich jetzt tun.«
    »Ich hab da auch noch was zu sagen.«
    »Was denn?« Der Mann saß unbeweglich da, wandte sein Gesicht zum Fenster…. »Wenn ich nicht im Dienst bin, hab ich meistens nichts Besonderes vor« begann er. »Wie ich vorhin schon gesagt habe, ist es hier einsam geworden, nachdem Maja starb. Ich sitze hier am Fenster und zähl die Autos, die vorbeifahren. Auf einer solchen Straße sind es nicht besonders viele. Deshalb sitz ich meistens und denk nach.« Er schwieg und Martin Beck wartete ab. Hult fuhr fort: »Ich hab nicht viel mehr zu überdenken, als wie es mir so ergangen ist. Vierzig Jahre in Uniform in dieser Stadt. Wie viele Male hat man mich vollgekotzt? Wie viele Male haben die Leute hinter mir hergespuckt und mir nachgeschrien und mich Schwein oder Wildsau oder Mörder genannt? Wie viele Selbstmörder hab ich abschneiden müssen? Wie viele unbezahlte Überstunden hab ich geleistet? Mein ganzes Leben lang hab ich wie ein Pferd geschuftet und versucht, wenigstens ein bißchen Ordnung zu schaffen, damit die freundlichen und anständigen Menschen in Frieden leben können, damit die Frauen nicht vergewaltigt werden, damit nicht jedes Schaufenster eingeschlagen und jeder Gegenstand gestohlen wird. Ich hab mit Leichen zu tun gehabt, die schon so zersetzt waren, daß immer noch dicke weiße Maden aus meinem Ärmel fielen, wenn ich abends nach Hause kam und mich an den Eßtisch setzen wollte. Ich hab Säuglinge gewickelt, wenn deren Mütter besoffen auf dem Boden lagen. Ich hab nach weggelaufenen Katzen gesucht und bin bei Messerstechereien dazwischen gegangen. Von Jahr zu Jahr ist es schlimmer geworden, die Gewalttate nahmen zu und immer mehr Leute haben auf uns rumgehackt. Immer hat» geheißen, die Polizei soll die Allgemeinheit schützen, einmal gegen die Pro leten und einmal gegen die Studenten, dann wieder gegen die Nazis oder ge gen die Kommunisten. Und heutzutage gibt's kaum noch was zu schützen Aber das alles hat man ausgehalten, weil der Kameradschaftsgeist bei de Polizei gut war. Und wenn es mehr solche Leute wie Stig Nyman gegeben hätte, würde es heute nicht so aussehen. Wer sich Klatschgeschichten übe die Kameraden anhören will, muß woanders hingehen, bei mir hat er kei: Glück damit.« Er hob die Handflächen einige Zentimeter über die Tisch platte und ließ sie wieder fallen, schwer und klatschend. Dann fuhr er fort »Ja, das war nun eine richtige Ansprache. Ich bin froh, daß das mal rauskam. Du bist doch selbst mal auf Streife gegangen, nich?« Martin Beck nickte. »Wann?«
    »Ist mehr als zwanzig Jahre her. Nach dem Krieg.«
    »Ja, ja«, sagte Hult onkelhaft, »damals war das noch idyllisch.« Er war mit seiner Rechtfertigung offenbar am Ende. Martin Beck räusperte sich und sagte:
    »Nun zu dem, was ich zu sagen hatte. Nyman starb nicht an seiner Krankheit. Er wurde ermordet. Wir nehmen an, daß der, der ihn umgebracht hat, sich an ihm rächen wollte. Es ist denkbar, daß der Betreffende sich auch an anderen rächen will.« Hult stand auf und ging hinaus in die Diele. Er nahm seine Uniformjacke vom Haken und zog sie an. Dann schnallte er das Koppel um und rückte die Pistolentasche zurecht.
    Martin Beck ließ sich nicht stören.
    »Ich bin hierhergekommen, um eine spezielle Frage zu stellen: Wer kann Stig Nyman so gehaßt haben, daß er ihn umbringen wollte?«
    »Keiner. Ich muß jetzt gehen.«
    »Wohin?«
    »Zum Dienst«, knurrte Hult und hielt die Tür auf.
    Einar Rönn las. Er hatte die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt und hielt den Kopf mit beiden Händen fest. Er war so müde, daß Buchstaben und Worte, ja ganze Zeilen immer wieder ineinanderflössen oder sich krümmten oder auseinanderfielen, mal nach oben und mal nach unten, genau wie auf seiner betagten, abgenutzten Remington, wenn er sich wirklich mal die Mühe machte und etwas fehlerfrei und ohne sich zu vertippen abschreiben wollte. Er gähnte, blinzelte, putzte seine Brille und fing noch einmal von vorn an.
    Der Text vor ihm war mit der Hand auf ein Stück Papier geschrieben worden, das von einer alten

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